Neue Heimat mit Hund: hallo Hessen, hallo Thüringen

Natur, Fachwerk und Pferde: Das ist sie nun unsere nicht mehr ganz neue Heimat, denke ich, als Alex und ich durch unseren schönen, ruhigen Hauswald gehen. Vor zwei Jahren sind wir hergekommen: Wie lange und oft habe ich es bereut! Sorgen, Schuldgefühle, Erschöpfung, Wut und Frust – so fing unser neues Leben an. Kaum ein Tag verging, an dem keine Tränen über meine Wangen liefen.

Nicht wegen unseres Dorfes oder der Region. Die sind großartig – fast genauso wie ich es mir gewünscht habe! Direkt vor der Haustür können mein Hund Alex und ich stundenlang durch die Natur wandern ohne andere Dörfer zu passieren oder Menschen zu treffen. Es gibt viele Wege, sodass wir täglich eine andere Richtung einschlagen können und auch unsere Stammstrecken variieren können. Entweder schlendern wir durch den Laubwald mit seinen unebenen „Sandpfaden“ oder wir ziehen vorbei an den Feldern mit Blick auf Wälder, Hügel und Täler. Bei guter Sicht sehe ich die Wartburg: das Wahrzeichen der thüringischen Stadt Eisenach und das einstige Exil von Martin Luther.

Auf den Spuren Martin Luthers

Der Reformator wurde vor 502 Jahren am 4. Mai 1521 im Thüringer Wald entführt. Allerdings nur zum Schein. Schließlich sollte er dadurch gerettet werden – was auch gelang. Martin Luther kritisierte die Kirche und verteidigte seine Meinung standhaft vor Kaiser Karl V. Daraufhin wurde er als Ketzer verurteilt. Ihm wurde zwar gesagt, er habe freies Geleit, aber es war fraglich, ob er sich darauf verlassen konnte. So kam es zu der Scheinentführung nahe der Burg Altenstein. Zuflucht fand er auf der Wartburg, auf der er die Bibel ins Deutsche übersetzte. Deshalb sind die Stadt und Burg auch so bekannt. Mit der Kirche habe ich es ja nicht so und Geschichte ist auch nur bedingt meins, aber wer in der Region lebt und arbeitet, kommt daran nicht vorbei. Und irgendwie ist es auch spannend.

Also nein, unser Dorf, das Leben an der ehemaligen innerdeutschen Grenze mit dem thüringischen Wartburgkreis auf der einen Seite und dem hessischem Werra-Meißner-Kreis auf der anderen Seite haben mir von Anfang an gefallen – und Alex erst. Es ist fast perfekt für ihn: Denn zumindest draußen haben wir viel Ruhe. Zwar gibt es schon den einen oder anderen hündischen Feind im Dorf, aber die treffen wir nur alle Jubeljahre. Meist sind wir auf den Wegen ganz allein – so wie heute.

Fernsehen ist besser als schreiben

Es war die Arbeit, die mir viele schlaflose Nächte, Vorwürfe und Tränen beschert hat. Wobei ganz stimmt das nicht: Denn ich liebe sie. Die Einsätze als Fernsehreporterin hatte ich all die Jahre zuvor sehr vermisst. Ich schreibe gern, aber am liebsten nur meine eigenen Geschichten und weniger für Kunden. Beim Fernsehen ist es spannender und abwechslungsreicher. Ich treffe ständig neue Leute (was für mich als eher introvertierter und hochsensibler Mensch auch nicht immer einfach ist) und bekomme auf den Drehs spannende Eindrücke.

Dann wähle ich die Bilder und sogenannten O-Töne aus (so werden die Interviewausschnitte genannt, die später im Beitrag zu sehen sind) und erzähle damit eine Geschichte. Das ist mein liebster Part! Wenn der Text und die Bilder sich im besten Falle immer wieder nähern und entfernen. Aus Chaos (das vermutlich bei vielen Kollegen nicht entsteht, aber bei mir geht es nicht ohne) Struktur schaffen und eine interessante, informative und je nach Thema bewegende, inspirierende Geschichte zu stricken. Darin gehe ich auf und der Teil war es, der mich hier gehalten und durchhalten lassen hat. Allerdings reichte das irgendwann nicht mehr aus, um den Frust zu ignorieren.

Das Problem, die Arbeit oder „Stelle“ war anders als gedacht (und das lag nicht am Fernsehen): Mehr als Vollzeit, obwohl ich offiziell freie Mitarbeiterin war, fühlte ich mich so unfrei wie nie zuvor. Ich bin einfach kein Angestellter! Selbst Luther war in seinem Exil vermutlich freier. Innerhalb der Wartburgmauern konnte er wahrscheinlich seine Zeit recht frei nutzen und hatte auch einige Gesellschaft. Die viele Arbeit und die Pandemie haben das bei mir verhindert. An freien Tagen war ich oft sogar zu erschöpft, um mit meinem Hund Alex wandern zu gehen. Dabei wohne ich diesbezüglich in einem Paradies.

Der Thüringer Wald, die Rhön und der Nationalpark Hainich

Am nächsten ist der Thüringer Wald. Er wird auch als „grünes Herz Deutschland“ bezeichnet. 150 Kilometer lang, 35 Kilometer breit und bis zu 900 Meter hoch. Unter anderem gibt es hier zahlreiche Nadel- und Laubbäume, blütenreiche Waldwiesen, glitzernde Seen, schöne Aussichten, stille Bergwälder, historische Sehenswürdigkeiten und traditionelle Glaskunst. Die Attraktionen und die Natur lassen sich nicht nur beim Wandern entdecken, sondern auch beim Fahrradfahren, Klettern, auf dem Wasser und den Skiern.

Auch die Rhön ist nicht weit. Sie erstreckt sich über Teile Thüringens, Hessens und Bayern. Die Rhön bietet ebenfalls schöne Ausblicke, unbewaldete Kuppen, markante Gipfel, geheimnisvolle Moore, urige Städtchen, traditionelles Handwerk, Rhöner Leckereien und für mich ein Highlight – Schafe.

Ebenfalls bei uns in der Nähe ist der einzige Nationalpark Thüringens: der Nationalpark Hainich. Das UNESCO-Weltnaturerbe liegt im Westen von Thüringen und ist der größte zusammenhängende Laubwald Deutschlands – mit einer Fläche von 130 Quadratkilometer. Hier darf die Natur machen, was sie will, und das tut sie auch. Über 10.000 verschiedene Pflanzen-, Tier- und Pilzarten sind hier zu Haus, darunter nicht nur zahlreiche Buchen, sondern auch die Wildkatze, der Luchs und der Reitters Strunk-Saftkäfer, der lange in Thüringen als ausgestorben galt.

Dann musste ich auch noch über ein halbes Jahr auf einen Internetanschluss warten, weil der Anbieter es verpeilt hat. So konnte ich nicht einmal ein paar Tage die Woche von zu Hause arbeiten. Die traurige Konsequenz: Mein Hund Alex war die erste Zeit wahnsinnig viel und lange allein. Für mich regnete es somit jede Menge Schuldgefühle und Selbstvorwürfe. Kurz: Es war grausam!

Ein eingezäunter Garten für Alex

Das Internet und ein Umzug um die Straßenecke brachten bereits Ende 2021 etwas Erleichterung. So konnte ich einige Tage zu Hause arbeiten und an anderen Tagen ließ (bzw. lässt) meine Vermieterin Alex raus. Wir haben hier einen großen, tollen Garten, in dem sich Alex frei bewegen kann (sofern nicht gerade Walnüsse oder Pflaumen herumliegen, denn die isst er komplett mit allem, was dazu gehört) und bei Lust mit dem Hund unserer Vermieter toben. Trotzdem haderte ich noch. Meine Arbeit fürs Fernsehen macht mir Spaß, aber ich, Alex und meine eigenen Ideen kamen zu kurz.

VORSICHT: Pflaumenkerne enthalten Blausäure und die kann tödlich für Hunde sein. Auf Walnüssen können Pilze leben, die ebenfalls giftig sind für Hunde. Außerdem können sowohl die Pflaumenkerne als auch die zerkauten, spitzen Walnussschalen innere Verletzungen verursachen.

Meine Arbeit als Fernsehreporterin wollte ich aber nicht wieder verlieren. Deshalb hielt ich durch (ok zugegeben, die hohen Umzugskosten trugen auch dazu bei), aber irgendwann ging es nicht mehr. Es folgten einige kräfteraubende Gespräche sowie Monate. Lange war es unklar, wie es weitergeht und ob ich beim Fernsehen bleiben kann. Im Endeffekt hat es sich aber gelohnt, für mich und meine Bedürfnisse einzustehen. Seit diesem Jahr habe ich offiziell eine andere Position. An der Arbeit an sich ändert sich nichts. Nur mein Vorgesetzter ist ein anderer, mein zweiter Arbeitsort ist jetzt mein erster und das Wichtigste: Ich arbeite freier und weniger. So hatte ich es mir vorgestellt und all die fernsehfreien Jahre zuvor gewünscht. Also ich fühle mich wohl. So ist jetzt auch wieder Zeit für Hund im Gepäck…

Schreibe einen Kommentar

Navigate
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner