Mit Hund auf der hakenartigen Sandnase

Bummbummbummbumbum, mein Herz schlägt schneller, als ich den Hund mit Maulkorb sehe. Dabei sitze ich im Auto und er läuft in die andere Richtung. Also eine völlig übertriebene Reaktion, aber ich kann nichts daran ändern. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Maulkörbe. Für meinen Hund Alex habe ich ebenfalls einen.

Allerdings ist er für den Notfall, falls er oder ich uns beim Wandern verletzen und jemand Fremdes meinen Hund anfassen oder tragen muss. Davon abgesehen, ist ein Maulkorb für Hunde in manchen Ländern Pflicht. Ich finde es gut und sehr löblich, wenn jemand seinem bissigen Hund einen Maulkorb aufsetzt. Trotzdem beunruhigt mich der Anblick jedes Mal, auch wenn die Hunde an der Leine sind. Warum es mich in dem schleswig-holsteinischen Naturschutzgebiet so sehr beunruhigt, weiß ich allerdings nicht.

Wandern mit Hund im abwechslungsreichen Naturschutzgebiet

Das Dummersdorfer Ufer befindet sich im Nordosten von Lübeck südlich von Travemünde. Sanfte Hügel, Wald, Steilhänge, Feuchtwiesen und das Strandufer der Untertrave versprechen ein abwechslungsreiches Naturerlebnis. Dazu gehört auch die Hirtenberg Halbinsel: Aufgrund ihrer hakenartigen Sandnase bekam sie von Fischern und Seefahrern den Namen Stülper Huk. Durch das Gebiet des Dummerdorfer Ufers führen verschiedene Rundwege, die zwischen fünf und zehn Kilometer lang sind. Seit 1958 steht die rund fünf Kilometer lange Uferstrecke unter Naturschutz, das Dummersdorfer Feld seit 1991.

Auf dem Weg zum Wanderparkplatz Hirtenbergweg treffen wir noch zwei Hunde mit Maulkorb. Sollten wir hier tatsächlich wandern oder nicht doch lieber umdrehen? Etwas beunruhigt und skeptisch fahre ich weiter. Auf dem Parkplatz sehe ich erfreulicherweise nur zwei Autos. Das Dummersdorfer Ufer scheint also nicht überlaufen zu sein. Wie viele hier aber zu Fuß herkommen, weiß ich natürlich nicht. Schließlich befindet sich der Lübecker Stadtteil Kücknitz in der Nähe. Vielleicht 10 bis 15 Minuten zu Fuß? „Nun sind wir hier und schauen einfach, was kommt“, sage ich zu Alex. Also steigen wir aus dem Auto und machen uns auf den Weg.

Alex setzt etwas zögerlich eine Pfote vor die andere. Sein Körper spannt sich an, sodass manch Muskel an den Hinterbeinen hervortritt. Sein Gang wirkt etwas steif. Zwar schnüffelt er ein paar Mal, aber seine Augen und Ohren sind stets nach vorne gerichtet. Er wirkt beunruhigt. Wieso, erfahre ich erst viele Meter später, als uns eine Schulklasse entgegenkommt. Alex hat die natürlich schon wahrgenommen, als sie noch nicht in unserem Blickfeld waren. Wir gehen an den Wegesrand, um den Abstand zu den Jugendlichen zu vergrößern. Eine mit Laubbäumen verzierte Erhöhung stoppt uns, sodass wir nicht richtig ausweichen können, aber der Weg dürfte breit genug sein.

Alex beruhigend zur Seite stehen

Ich bleibe stehen und stelle mich schützend vor Alex, aber so dass er die Grüppchen gut sehen kann. Seine Anspannung bleibt und er macht sich bereit, jederzeit fliehen zu können. Allerdings ist das nicht nötig, denn außer einem freundlichen Gruß interessieren sie sich nicht für uns. Ich versuche, meinen Hund zu unterstützen. Mein Blick richtet sich vermehrt nach vorne, den Fokus weg von der Gruppe. Sanft schaue ich mal zu Alex, mal zu den Menschen und immer wieder nach vorne. Dabei bleibe ich ganz bei mir, indem ich mich auf meine Bauchatmung und meine Füße konzentriere, aber ohne dabei meine Umwelt zu vergessen. Mein Körper bleibt entspannt, also keine angezogenen Schultern, durchgestreckten Beine und festgedrückten Füße. Alex bleibt zwar skeptisch, bricht aber nicht in Panik aus.

Erst als die Jugendlichen und Erwachsenen einige Meter vorbei sind, entspannt er sich und schnüffelt wieder. Dafür wächst meine Anspannung kurz darauf, denn uns kommen zwei junge Männer mit einem Hund entgegen – natürlich mit Maulkorb. „Ist das hier etwa der Wald für die aggressiven Hunde?“, frage ich mich.

Keine Rasseliste in Schleswig-Holstein

2016 hat Schleswig-Holstein die Rasseliste abgeschafft. In diesem Bundesland gilt also kein Hund als gefährlich, nur weil er einer bestimmten Hunderasse angehört. Allerdings besteht eine Maulkorbpflicht für die Hunde, die als gefährlich eingestuft wurden. Diesen Stempel bekommt Hund, wenn es zu einem Beißvorfall kam und Hund entweder einen Menschen angegriffen hat oder ein Tier grundlos gebissen hat. Ein Hund, der sich gegen einen Artgenossen verteidigt, wird normalerweise nicht gebrandmarkt. Wurde ein Hund in Schleswig-Holstein als gefährlich eingestuft, kann er nach zwei Jahren resozialisiert werden. Dafür wird ein Wesenstest und eine tierärztliche Begutachtung benötigt.

Glücklicherweise läuft auch diese Hundebegegnung glimpflich ab, aber ich bleibe jetzt erst einmal auf der Hut. Die Felder enden und wir landen im Wald. Keine Ahnung, wo sich was befindet. Geradeaus müssten wir irgendwann zum Strand der Untertrave kommen. Deshalb wandern wir einfach weiter. An einem Zaun angelangt, biegen wir rechts ab: Sackgasse. Dafür gibt es eine Bank mit freier Sicht auf die Trave, die hier fast ihre Reise von 124 Kilometer erreicht oder kurz zuvor an ihrer Mündung zur Ostsee begonnen hat, je nachdem, wie man es betrachtet.

Weiter unten scheint der Silkteich zu sein. Er dient als Fluchtort für viele Wasservögel und Amphibien, zum Beispiel für Zwergtaucher und Wasserfrösche. Die kann ich zwar nicht ausmachen, aber ich sehe andere Tiere über die Wiese rennen. Meine kurzsichtigen Augen können sie aber nicht genau erkennen. Vermutlich sind es Schafe und Ziegen: Pommernschafe, Heidschnucken und Ziegen pflegen den Trocken- und Magerrasen, indem sie die Gräser und Gehölze kurzhalten. Der Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer kümmert sich um das Gebiet und bietet regelmäßig Veranstaltungen an, wie beispielsweise im Frühjahr eine Lammführung.

Auch Hunde dürfen die Weiden betreten

Noch einmal bewusst die Stille und die Aussicht genießen, dann drehen wir wieder um. Alex läuft locker mit leicht schwingender Rute voran. An manch Grashalm bleibt er stehen, um interessante Botschaften durch seine Nasenlöcher aufzusaugen. Wieder kommen wir an einem Gatter vorbei. Ob wir da durchgehen können? Ich entscheide mich weiterzugehen. Ein Weg führt den Hügel hinauf, weiter in den Wald, und ein Weg führt hinab. Da ich gerne ans Wasser möchte, wähle ich Letzteren. Der bringt uns zum nächsten Gatter.

Auf der Informationstafel steht, dass ich die Weiden betreten darf. Das gilt auch für Alex beziehungsweise für Hunde, solange sie an einer kurzen Leine geführt werden. Also wechsele ich die Schleppleine gegen unsere Führleine. Auf den Wegen bleiben und keine Tiere stören, ist natürlich Pflicht. Kein Problem. Das Gatter fällt hinter uns zu und ich freue mich über den kleinen Strand und die Trave. Ein Schiff fährt vorbei. Vermutlich kommt es gerade aus Lübeck und fährt nach Travemünde oder gar weiter über die Ostsee nach Schweden oder Norwegen. Es bringt das Wasser in Bewegung: „Schwapp, schwapp, schwapp.“

Gerne würde ich weiterwandern, aber zu unserer Linken befindet sich ein gesperrter Bereich und zu unserer Rechten schnattern wild die Gänse und Enten. Vielleicht befinden sich Mittelsäger darunter? Allerdings entdecke ich keine Ente, deren Federhaube vom Kopf absteht. Die hier brütenden Brandgänse dürften hingegen bereits auf dem Weg in den Süden sein. Egal welcher Art die verschiedenen Vögel angehören, sie lassen sich nicht nur von den leichten Wellen tragen, sondern belagern auch das Ufer. Da ich sie nicht aufscheuchen will, drehen wir nach ein paar tiefen Atemzügen wieder um. „Dann gehen wir halt den Hügel hinauf in den Wald“, sage ich zu Alex, der mir schwanzwedelnd folgt.


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Laubbedeckter Waldboden. Schmale Pfade am Hang entlang. Immer wieder geben die Büsche und Bäume die Sicht frei, hinunter auf die wieder seicht dahin rauschende Trave. Ich schaue auf mein Smartphone. Auf der Karte entdecke ich den Aussichtsturm Borndiek, von dem man vermutlich auf den Skandinavienkai und den südlichen Priwall mit dem Naturschutzgebiet Pötenitzer Wiek blickt. Wie weit es ist, bleibt unklar. Ich möchte eigentlich keine allzu große Runde machen. Schließlich waren wir am Vortag rund zweieinhalb Stunden an der Steilküste Brodtener Ufer spazieren. Der Weg über Sand und Stein war für meinen Hund Alex ganz schön anstrengend. Deshalb will ich es heute ruhiger angehen. Er scheint eh nicht in Wanderlaune zu sein. Vermutlich verlässt er deshalb die Poleposition und schlendert hinter mir her. „Nur noch um die Kurve und wenn nicht bald ein Weg abzweigt, dann drehen wir wieder um“, muntere ich ihn auf.

„Wwwwwrrrm, Wwwwwrrrm“, Motorsägen durchbrechen die Stille. Irgendwo links von uns müssen Waldarbeiter sein. Zu sehen sind sie allerdings nicht. Jahrhundertlang diente der Wald Bauern zur Brennholzgewinnung. Er wird als Niederwald bewirtschaftet. Das bedeutet, dass nach einer kurzen Umtriebszeit die Gehölze dicht über den Boden abgeschlagen werden, um daraus beispielsweise Brennholz herzustellen. Laut dem Landschaftspflegeverein Dummersdorfer Ufer weist er aber mittlerweile Züge eines Hochwaldes auf. Bei der Wirtschaftsform beträgt die Umtriebszeit 80 bis 120 Jahre, und die Baumschicht geht aus Samen hervor (sogenannte Kernwüchse), statt aus Stockausschlägen wie beim Niederwald.

Abseits des Hauptweges

Ich will gerade aufgeben und umdrehen, da entdecke ich einen Weg. Uneben und etwas bewachsen. Scheinbar wandern nicht viele Menschen dort entlang. Egal, Hauptsache wir kommen so zum Auto, ohne dass wir auf dem vorherigen Weg unsere Pfoten- und Fußabdrücke zum zweiten Mal hinterlassen. Ich wander gerne solche Wege, auf denen verschiedene teils hochgewachsene Gräser den Boden bedecken und Äste einen Hindernisparcours bilden. Allerdings frage ich mich jedes Mal, ob ich nicht doch lieber umdrehen und meine Füße auf den Hauptwegen lassen sollte. Schließlich entpuppt sich manch „wilder“ Weg als Sackgasse oder führt uns ganz woanders hin. Wir landen aber wie erhofft an einer weiteren Abzweigung. Wenn wir links abbiegen, müssten wir wieder in der Nähe unseres Startpunkts landen.

Insbesondere Stieleiche, Hazel und Hainbuche sind in dem Wald am Dummersdorfer Ufer fest verwurzelt. Normalerweise wachsen sie dicht an dicht, sodass für viele Blumen zu wenig Licht durch das Blätterdach hindurchkommt. Im Frühjahr schimmern aber durchaus die blauen Blüten der Lederblümchen auf dem Waldboden und das blau bis rot gefärbte Lungenkraut. Außerdem versprüht die dottergelbe Schlüsselblume ihren Duft.

Jetzt im November lassen die Sonnenstrahlen nur den grünen Farn am Boden strahlen. Nicht nur darüber freue ich mich, sondern auch darüber, dass Alex wieder motivierter wirkt. Er läuft etwas schneller voran und steckt seine Hundenase wieder fleißig in die Büsche. Außerdem haben wir bisher niemanden mehr getroffen und haben unsere Ruhe. Wie immer frage ich mich kurz, ob mein Orientierungssinn funktioniert. Ich blicke auf mein Smartphone. Die Wege im Wald zeigt es nicht vernünftig an, also bleibt mir nichts anderes übrig, als mir zu vertrauen.

Aussichtsplattform Dummersdorfer Ufer verpasst

Und ich behalte Recht: Wir landen wieder an der „Kreuzung“ am Zaun und begeben uns erneut zum Aussichtspunkt. „Sollen wir uns dieses Mal hinunter wagen?“, frage ich Alex. Da erblicke ich unten eine Person mit zwei Hunden, die unerlaubterweise freilaufen. Sie wollen scheinbar den Weg hinauf. Währenddessen taucht hier oben ein Mann mit großem, dunklem, kräftigem Hund auf. Nicht gerade Alex Lieblingsartgenossen. Er trägt zwar keinen Maulkorb, aber ein Halti, was mir ebenfalls Unbehagen bereitet. Also bleiben wir lieber, wo wir sind.

Statt direkt zum Wanderparkplatz zu gehen, machen wir einen Schlenker über laubbedecktem Waldboden. Ein Schild zeigt Richtung Aussichtsplattform Dummersdorfer Ufer, dessen nächste Abzweigung ich scheinbar übersehe. Wir landen wieder oberhalb des Ufers der Untertrave. Auch hier ermöglicht ein Gatter den Gang auf den Trocken- und Magerrasen hinab zum Strand. Wir schlüpfen nur kurz hindurch, weil ein unangeleinter Hund auftaucht. Mein Herz versucht einen Trommelwettkampf zu gewinnen. Als ich die Besitzerin und den zweiten Hund sehe, verlangsamt es die Schläge: Die hatten wir kurz vorher schon getroffen und die beiden Hunde haben keinerlei Interesse an Alex. Also können wir beruhigt den Grasweg nehmen – zurück zum Auto und in unsere Wohnung. Ein schöner Ausflug mit ein bisschen zu viel unnötiger Aufregung. Sicherlich wäre es nicht verkehrt, wenn ich mich mal meinen Ängsten in Bezug auf Hundebegegnungen widme. Dazu aber ein anderes Mal mehr…

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