Burgruine Brandenburg: Mit Hund ins Mittelalter

Kaum gestartet schon sind die Füße und Pfoten nass. Meine Trailrunning-Schuhe sind nicht wasserdicht und streifen die Morgentautropfen von den Grashalmen ab. Natürlich könnten mein Hund Alex und ich auch einfach auf dem Weg bleiben, aber ich möchte näher an das Piratenschiff heran, das ich all die anderen Male übersehen habe, obwohl es prominent neben den Gebüschen liegt – hinter dem Tor des Naturparks Thüringer Wald.

Moos bedeckt die braunen Holzbretter. Für meinen Laienblick sieht es noch fahrtüchtig aus. Das „Schiffswrack“ liegt hier aber sicherlich nicht ohne Grund. Alex schnuppert kurz den Rand ab, dann steckt er seine Hundenase wieder ins Gras, während ich ein paar Fotos mache. Mein Blick wandert den Hügel hinauf zur Ruine Brandenburg, aber weit komme ich nicht. Eine graue Nebeldecke nimmt mir die Sicht. Mein Herz klopft etwas schneller, ein Kribbeln macht sich in mir breit. Gruselig, mystisch und spannend. Kurz überlege ich, ob wir unsere Wanderung abbrechen sollen. „Auf keinen Fall“, ruft mein Inneres. Also Schiff ahoi.

Mein Hund und ich wandern den unebenen Waldweg hinauf. Dabei steigen wir über die Baumwurzeln, die sich durch den Boden brechen. Der Morgennebel hat sich um die Stämme und Äste der Laubbäume gewickelt. Er ist aber wie ein seidener Schleier, der noch etwas Sicht freilässt, sodass ich die grünen Blätter und den braunen Waldboden sehe. Alex ist gut drauf: Schwanzwedelnd schnüffelt er sich hoch. Manch Vogel trällert sich wach. Durch die Blätterwände dringt gedämpft das Motorrauschen: Nicht weit entfernt durchbricht nämlich die Autobahn die Natur.

Von Deutschland in die DDR

Bis 1989 war sie der Weg in ein anderes Land: von Deutschland in die Deutsche Demokratische Republik, kurz DDR. Der Grenzübergang Wartha/Herleshausen war einer der wenigen passierbaren Grenzpunkte im geteilten Deutschland und der einzige, der vom westdeutschen Hessen ins ostdeutsche Thüringen und umgekehrt führte. Zunächst befand er sich unten auf der Bundesstraße, 1984 wurden die beiden Kontrollstellen jedoch nach oben auf die Autobahn (A4) verlegt. Während unten die Werra und Stacheldrahtzäune Deutschland teilten.

Die Burgruine Brandenburg ragt auf einem Vorberg des Thüringer Waldes in die Höhe. Aufgrund ihrer direkten Lage an der ehemaligen innerdeutschen Grenze gehörte der Bereich zum Sperrgebiet. Laut der Internetseite der Burg wurde sie deshalb zu DDR-Zeiten bewusst totgeschwiegen und zum „Dornröschenschloss“. Also durfte hier offiziell keiner entlang gehen – außer vielleicht die Wachpatrouillen. Wir wandern weiter bergauf und landen auf einem Kiesweg, der zwischen den Mauern endet. Wir sind am ehemaligen Torhaus der Westburg angekommen. Die Burgruine Brandenburg besteht nämlich aus einer West- sowie einer Ostburg und gehört zu den größten Doppelburgen Mitteldeutschlands.

Mit Hund durchs ehemalige Sperrgebiet wandern

Etwas Nebeldunst schwebt über den Boden und zwischen den dicken Steinen hindurch. Er trübt die Sicht, aber nur ganz leicht, sodass die Wiese hinter dem ehemaligen Tor und der dicke Baum sichtbar bleiben. Am Rand des Hügels lädt eine Bank und Tisch zu einer Wanderpause ein. Das dichte Blätterwerk versperrt die Sicht, aber an einer Stelle kann ich doch hinab ins nebelbedeckte Tal blicken. Vom Osten in den Westen oder von Thüringen nach Hessen. Die ehemalige innerdeutsche Grenze ist zwar nicht mehr sichtbar, aber trotzdem präsent. Ein Kreuz am Fuße der Ruine Brandenburg erinnert daran. Alex interessiert sich nur für die Gerüche und steckt seine Hundenase immer wieder ins Gras.

Mein Hund Alex und ich nehmen den schmalen, unebenen Pfad, der sich weiter hinaufschlängelt. Ich weiß, dass er uns weiter in die Burgruine Brandenburg führt – durch die Mauerreste und zum Turm der Westburg. Die Baumspitzen zu unserer Rechten überragen wir mittlerweile, aber ein großes Nebelkissen hat sich zwischen die Bäume gelegt, sodass ich nur grün und grau sehe. Das Werratalmäander zwischen Lauchröden und Herleshausen versteckt sich irgendwo darunter.

Der Verfall der Brandenburg

Dafür zeigt sich hier oben die Sonne, die langsam hinter den ehemaligen Wohnturm der Ostburg wandert, dem heutigen Museum. Sie strahlt durch die ehemaligen Fenster und an den dicken Steinwänden vorbei. Die jahrhundertealten Mauern fühlen sich kalt und rau an. Über den Bau der thüringischen Brandenburg gibt es keine Aufzeichnungen. Vermutlich wurde sie um 1200 erbaut. Die zwei getrennten Burganlagen sind ab Anfang des 14. Jahrhunderts nachweisbar. Ab da gab es auch unterschiedliche Besitzer. Die Westburg wurde vermutlich im 16. Jahrhundert verlassen, die Ostburg vermutlich zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Anschließend wurde sie als Steinbruch genutzt und verfiel schließlich.

Von Ruinen geht so eine besonders mystische Stimmung aus. Jedes Mal frage ich mich: Wie das Leben wohl früher war? Vermutlich sehr zugig und wenig komfortabel. Schließlich gab es im Mittelalter weder eine moderne Heizung noch Fenster. Wobei rot-oranges Knistern nicht nur wärmen kann, sondern auch sehr gemütlich wirkt. Haben die Grafen von Wartberg, also die ersten Burgherren, darüber wohl je nachgedacht? Oder ging es vielmehr um den Nutzen und das reine Überleben? Ein Feuer diente also dann nicht zur bewussten Erholung, sondern nur zum Warmhalten. Vor dem Schlafen wurden dann vielleicht Pläne geschmiedet, wie die Burg, das Reich und die Handelsstraße am besten verteidigt werden. Schließlich waren die Burgherren für den Geleitschutz der Handelszüge zuständig. Denn die Brandenburg bildete mit der Wartburg und der Creuzburg ein Festungsdreieck, das die thüringische Landgrafschaft sicherte. Damals war hier sicherlich mehr los.

Burgruine Brandenburg als Festivalgelände

Jetzt streifen nur mein Hund Alex und ich durch die Ruine von der Westburg zur Ostburg. Das kleine Burgmuseum im Turm ist geschlossen. An das Burgleben erinnert nichts mehr und auch nichts an die Feste, die mittlerweile hier stattfinden. Im Juni tanzte ich zwischen diesen jahrhundertalten Mauern zu elektronischer Musik. Und nicht nur hier. Auch auf der Wiese am Fuße der Ruine Brandenburg. Denn das Gebiet verwandelt sich zum Festivalgelände. Mit Holz und Lichtern wird das „Medival – Electronic Open Air“ einmal im Jahr optisch liebevoll gestaltet. Außerdem wird das Metall-Festival „Burgbrand Open Air“ hier gefeiert und verschiedene Kulturveranstaltungen finden statt. Alle zwei Jahre taucht die Ruine wieder in die historische Zeit des Mittelalters ein: Beim „Brandenburgfest“ gibt es unter anderem Händler, Tanz, Gesang und Ritterkämpfe.

Jetzt wandern Alex und ich aber weiter – hinab zu dem großen schwarz-braunen Gebilde. Holzstangen sind zusammengezimmert. Ein großes Brett in der Mitte. Alex schnuppert das Gebilde kurz ab. So verteidigten die Burgbewohner also früher ihr Heim: mit einer Steinschleuder. Das war sicherlich kein leichtes Unterfangen, denn auch wenn die Burg wie viele andere erhöht steht, können sich fast von allen Seiten Feinde nähern, und das vermutlich lange Zeit unbemerkt. Dafür sorgen die Bäume des Thüringer Waldes. Wobei er früher wahrscheinlich etwas anders aussah. Über den breiten Weg könnten wir zurück zum Parkplatz in Lauchröden. Aber ich möchte lieber einen neuen einschlagen. Also wandern wir wieder ein Stück hinauf bis zu einer Wiese. Alex trabt schwanzwedelnd bergauf.


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Naturpark Thüringer Wald: Mein Hund und ich kommen wieder

Die grünen und beigen Halme reichen über meine Knie, sodass nun auch meine Wanderleggings den restlichen Morgentau aufsammelt. Das stört mich aber nicht, denn ich werde mit einem atemberaubenden Blick belohnt. Auf der Erhebung gegenüber ist die Doppelburg deutlich zu sehen. Der graue Nebel hat sich erhoben und schlängelt sich nicht mehr nur um die Bäume, sondern auch um die sandfarbenen Mauerreste. Darüber leuchtet der hellblaue Himmel und die Sonne bringt die Ruine Brandenburg zum Strahlen. Ich könnte hier noch ewig stehen, die frische, reine Luft und atemberaubende Aussicht genießen.

Alex springt aber weiter über die Wiese. Also folge ich ihm und versuche den Weg zu finden, der hier laut meiner App sein soll. Scheinbar sind hier schon eine Weile keine Wanderschuhe mehr entlanggelaufen, denn ich kann keinen Wanderweg ausmachen, nicht einmal einen Pfad, der für Menschen geeignet scheint. Höchstens ein paar Rehe haben das Gras und die Pflanzen minimal platt getreten. Wir irren etwas umher. Ich möchte nichts kaputttreten, aber irgendwann gebe ich es auf und entscheide mich, dass wir querfeldein hinabsteigen, damit wir auf den Wanderweg weiter unten gelangen. Der bringt uns nach einigen Metern wieder zu einer Wiese. Dieses Mal samt Pfad, der zum Parkplatz führt. Als unsere nassen Füße und Pfoten den Schotter betreten, endet unser Ausflug und wir lassen das Tor zum Naturpark Thüringer Wald wieder hinter uns. Aber wir kommen sicherlich wieder.

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