Ich liebe Herausforderungen und Abenteuer, obwohl sie mir auch Angst machen. Und zugegeben nicht selten versuche ich mich davor zu drücken, obwohl mein Innerstes danach schreit. Während ich es durchlebe, überkommt mich nicht selten Panik und ich verfluche es, aber am Ende liebe ich es und sehne mich nach mehr. So war es auch auf der kleinen Schäreninsel Gullholmen. Der Besuch war sicherlich einer der aufregendsten Tage unserer Schwedenreise mit Hund, auch wenn es recht langweilig anfing…
Ein Mitarbeiter vom Campingplatz Stocken hat uns den Tipp gegeben, nach Gullholmen zu fahren. Mit der Fähre geht es innerhalb weniger Minuten zu der kleinen Vorinsel von Orust. Am Hafen ist einiges los und es scheinen viele Touristen da zu sein. Vielleicht haben sie alle von den leckeren Waffeln gehört, die auch bei Ankunft schon zu riechen sind. Aber mich zieht es ans Wasser. Blöderweise folge ich einem Pulk und gelange so auf die Felsbrocken. Es ist zwar schön von dort oben die Aussicht zu genießen und das von Fels zu Fels hüpfen, verleiht dem Ganzen einen abenteuerlichen Charme, aber ich möchte doch lieber Strand. Also machen wir uns wieder auf die Suche. Alex ist froh, den Platz zu verlassen, denn direkt vor den Felsen spielen ein paar Kinder Fußball. Seine Angst kann er dadurch leider nicht ablegen.
Wir irren herum. In solchen Momenten ärgere ich mich manchmal etwas, dass ich oft sehr unvorbereitet und planlos an die Dinge herangehe. Zwar bietet genau das meist die besonderen Momente, aber manchmal verplempere ich dadurch nur unnötig Zeit. Auch einen anderen Felsenweg müssen wir nämlich wieder verlassen. Denn auf einmal taucht ein Hundeverbotsschild auf, da Viehwiesen zu queren sind. Kurz überlege ich wieder mit der Fähre zurück nach Orust zu fahren, weil ich etwas genervt bin und die kleine Vorinsel mir trotz ihrer kleinen Fischerhäuschen und der Felsen öde erscheint. Aber so schnell gebe ich nicht auf! Irgendwann finde ich in der Nähe des Restaurants Gullholmsbaden ein Plätzchen, wo wir uns direkt am Wasser niederlassen. Alex Ohren werden ordentlich vom Wind durchgepustet und eine Füße- sowie Pfotenkühling gibt es auch.
Später laufen wir auf der Insel noch weiter und ich denke, hätte ich das doch gleich getan. Denn je weiter wir in Gullholmen eintauchen, umso leerer und schöner wird es. Irgendwann kommen wir sogar an einem „größeren Sandstrand“ vorbei. Doch zum Baden ist es mir inzwischen zu kalt. Also weiter. Vereinzelt passieren wir ein paar Holzhäuser und es fahren ab und zu ein paar Mofas samt Anhänger an uns vorbei. Auf Gullholmen herrscht Autoverbot. So sind die kleinen Maschinen die einzigen Möglichkeiten für eine schnellere Fortbewegung und Gepäck leichter zu transportieren.
In einer Bucht ist keine Menschenseele, der Wind lässt die Gräser sowie Pflanzen tanzen und das Wasser schlägt eine Gischt. Alex tappt am Wasser entlang und ich blicke hinaus. An einem kleinen roten Holzhäuschen bleiben meine Augen hängen. Ob es wohl bewohnt ist? Es ist das einzige hier und die Stille ist zum Leben oder Urlaub machen sicherlich ein Traum – genauso wie die Natur. Ich könnte hier ewig verweilen, doch irgendwann müssen wir auch wieder mit der Fähre zurück.
Ohne Markierung kein Wanderweg
Da ich nicht gerne den gleichen Weg zurück- wie hingehe, schlage ich einen schmalen Wanderpfad ein. Durch die Ruhe und Einsamkeit ist Alex recht vergnügt, doch die schmalen uneinsehbaren Pfade lassen ihn wieder etwas angespannter werden. Mir geht es nach einiger Zeit nicht anders, denn der Weg entpuppt sich als sehr abenteuerlich. Noch nie bin ich auf so einem Pfad gewandert. Teilweise ist er gar nicht zu erkennen und ich muss genau aufpassen, damit ich die orange Markierung entdecke. Manchmal zeigt sie sich auch nur ein paar Zentimeter vorher.
Wir kraxeln über die Steine. Wären die Markierungen nicht, wäre ich mir absolut sicher, dass das hier gar kein Wanderweg ist und nicht zum Durchgehen gedacht. Kahle, abgestorbene Äste und viele Steine zieren den Weg. Es taucht ein kleiner See auf, dessen Wasser alles andere als einladend aussieht. Die Umgebung fasziniert mich und wirkt trotzdem etwas verstörend. Wir müssen über Steinbrocken steigen, teils herunterspringen, wobei ich einmal Angst habe, dass Alex sich verletzt und auf einem spitzen Steinbrocken landet, umknickt oder dergleichen. Herunterheben ist nicht möglich, denn dafür ist es zu hoch: Meine Arme erreichen gerade seine Pfoten. Durch diese Art Wildnis könnte ich ihn nicht tragen: Zu uneben, schmal und teils schwer passierbar ist die Strecke. Doch Alex meistert den Sprung.
Wir steigen eine Art Zufluss hinab, der zwar kein Wasser beherbergt aber sehr matschig ist. Zwischendurch überlege ich umzudrehen, aber den gleichen Weg zurückzugehen, ist sicherlich noch beschwerlicher, da wir inzwischen oft hinabgeklettert sind. Also hoffe ich, dass es stets weiter geht. Nach einer gefühlten Ewigkeit landen wir wieder auf den riesigen Felsen und müssen uns dort den Weg suchen. Zwar ist die Sicht wieder frei, aber auch hier sind die orangen Punkte nicht immer gleich sichtbar.
Ich finde es wahnsinnig toll, aufregend und zugleich beängstigend. Wenn uns hier etwas passiert, sind wir verloren und passieren kann hier eine Menge. Nur einmal nicht aufgepasst und schon kann der Knöchel verknacksen oder es gibt einen schlimmen, wenn nicht gar lebensgefährlichen, Sturz. Konzentration ist ja nicht so meine Sache, aber ich gebe mein Bestes. Alex verleiht mir zusätzlich Ruhe. Denn seit mein Hund wieder eine freie Sicht hat, ist er entspannt. Außerdem scheint er diese Tour, samt dem von Fels zu Fels hüpfen, richtig zu genießen. Fröhlich, mit leicht schwingender Rute, leuchtenden Augen und lockeren Ohren läuft und springt er über die schwedischen Felsbrocken. Bei mir sieht es sicherlich nicht ganz so galant aus, sondern eher angestrengt und etwas tölpelhaft. Egal, Hauptsache wir müssen nicht umdrehen!
Umdrehen? Keine Chance
Zwischenzeitlich bin ich genervt, weil meine altbekannte Angst sich zu Wort meldet, mich auf die Gefahren hinweist und in leichte Panik versetzt. Kommen wir hier jemals heile wieder weg? Der Himmel ist inzwischen komplett grau und der Wind fegt immer noch über uns hinweg. Zum Glück bleibt der Regen aus. Was ist aber, wenn wir wieder zu den Viehweiden gelangen, die ich mit Alex nicht betreten darf? Umdrehen? Keine Chance, das packe ich nicht. Aber Stress mit Kühen ist auch keine gute Option! „Erst durch die Tür gehen wollen, wenn man davor steht“, versuche ich mich zu beruhigen und es klappt ganz gut. Meine Panik kann ich einigermaßen im Zaum halten und das Abenteuer mit Hund auch genießen.
Es ist wieder eine gefühlte Ewigkeit vergangen – irgendwann können wir die Felsen verlassen und landen auf normalen Wegen. Ich bin erleichtert und total euphorisiert. Denn jetzt, wo wir die Strecke heile überstanden haben, kann ich sagen, es war ein mega cooles Abenteuer und ich will mehr!
Mehr über unsere Reise erfährst Du hier: „Mit Hund durch Schweden: Roadtrip Teil 1“ und hier „Mit Hund durch Schweden: Roadtrip Teil 2“ und hier „Schweden mit Hund und die Leichtigkeit des Seins in Hätteboda“.
*Während der abenteuerlichen Wanderung auf Gullholmen musste ich mich teils sehr konzentrieren, damit uns nichts passierte, deshalb habe ich so gut wie keine Fotos gemacht. Und ausnahmsweise habe ich mal hauptsächlich mit meinem Smartphone fotografiert, weshalb die Qualität der Bilder teils zu wünschen lässt.