Es ist zwar schon eine Weile her, aber trotzdem möchte ich Dir unsere erste Teilnahme beim Camp Canis nicht vorenthalten. Bis zur Ankunft auf dem Eventgelände habe ich gezweifelt, ob es richtig ist, mit meinem Angsthund daran teilzunehmen. Kurz nachdem wir aus dem Auto gestiegen sind, lösten sich meine Sorgen immer mehr, aber erst einmal zurück auf Anfang…
Was zuvor geschah
Die Liebe Zissi von La Piba Rosa (oder auch bekannt als Rosa – Rraus aus dem Tierheim, rein ins Leben) hatte auf ihrer Facebookseite geschrieben, dass sie Leute für ihr Team sucht. Ähnliche Veranstaltungen wie Tough Hunter und StrongDog wild & dirty waren mir schon bekannt und ich dachte schon mehrfach, dass ich das auch gerne machen würde. Nach einem Blick auf die Website von Camp Canis schrieb ich unter Zissis Facebook-Post, dass ich Lust hätte, aber mir unsicher bin wegen Alex Ängsten. Kurz darauf erhielt ich einen Anruf von ihr und ja man kann sagen, dass sie mich überredete, mitzumachen – zum Glück. Mir war aber wichtig, die Option zu haben, jederzeit auszusteigen, falls ich merken sollte, dass es doch nichts für Alex ist. Damit waren die anderen Teammitglieder einverstanden – sie reagierten sogar alle so lieb, dass ich erst mal guter Dinge war.
Ich bestellte mir ein Zuggeschirr, das allerdings nicht passte und ich merkte, dass ein Zuggeschirr eben kein normales Geschirr ist. Also machte ich einen Termin bei Nadine von Hundesinn aus. Neben einer theoretischen und praktischen Einführung ins Canicross probierten wir verschiedene Zuggeschirre und ich kaufte dann ein passendes. Anschließend trainierten wir etwas. Allerdings muss ich gestehen, dass wir nur das Ziehen auf Kommando etwas übten und hin und wieder laufen gingen. So richtig konstant war unser Training jedoch nicht und so fühlte ich mich am Tag X nicht wirklich gut gewappnet. Das war aber nicht der einzige Grund, warum ich mir Sorgen machte.
Auf die Plätze, fertig, PANIK
War ich vorher davon überzeugt, dass Alex und ich das schon schaffen würden und ich mich stets besänftigte, dass wir zur Not jederzeit aussteigen können, überkam mich zwei Tage vorher die Panik. Am Eventtag wächst die Aufregung. Was tust Du deinem Hund nur an? Was ist, wenn ich ihm damit schade und sein schwer erkämpftes Vertrauen in mich, das immer wieder etwas bröckelt, noch mehr Risse bekommt? Was ist, wenn er sich mit den fremden Hunden in die Haare kriegt? Was ist, wenn er sich losreißen kann und aufgrund des vermeintlichen Trubels auf und davon jagt, nicht wiederkommt, nicht wieder auffindbar ist oder gar mit dem Kühler eines Autos Bekanntschaft macht? Das sind nur ein paar der Fragen, die in meinem Kopf kreisen und meinen Puls erhöhen. Die Worte meines Freundes sind auch nicht sehr hilfreich: „Natürlich ist das ein Fehler. Ihr werdet kläglich versagen.“ Tja, aber für einen Rückzieher ist es zu spät. Schließlich sind wir am Vortag extra von Baden-Württemberg nach Bremen gefahren und jetzt rechnet unser Team Viatores Mundi mit uns. Also geht es los Richtung Wulsbüttel.
Die Autobahn ist frei, aber mit jedem Meter näher an das Motorcrossgelände Hoopes Park beschleunigt sich mein Herzschlag und meine Hände werden feuchter. Das wir die Abfahrt verpassen, tut sein Übriges und nun habe ich auch noch leichte Panik, dass wir zu spät zum Vet-Check kommen. Doch die war schon einmal umsonst, denn wir sind mehr als pünktlich. Mit leicht wackeligen Knien steige ich aus dem Auto. Manch Teammitglied ist schon da und auch Zissi kommt gerade an.
Das Team versammelt sich. Da alle ihre Hunde bereits dabei haben, gehe ich zurück zum Auto und lasse Alex vom Rücksitz. Die erste Hürde steht uns bevor: Denn mein Hund kennt bis auf Rosa keinen seiner Artgenossen, die mit uns durch den Matsch rennen sollen. Hatte sich mein Puls etwas beruhigt, schellt er wieder in die Höhe. „Ruuuuhhig bleiben. Tief ein- und ausatmen. Wenn Du nicht ruhig bleibst, überträgt sich das auf den Hund und Stress ist vorprogrammiert“, ermahne ich mich selbst. Ganz hilft es nicht.
Wie Du vielleicht schon mitbekommen hast, reagiert Alex ab und zu beim Kontakt mit fremden Hunden über. Da er selbst so oft angegriffen und gehetzt wurde, verfällt er manchmal in eine, ich sag mal, leichte Angstaggression. Also piepse ich mit hoher Stimme und leicht überschwänglichen Tonfall: „Oh schau mal, wer ist denn da?! Guck mal, die Rosa ist da!“ Alex reagiert mit einem überfröhlichen Gewackel und zieht mich zu der Gruppe. Ich halte sicherheitshalber etwas Abstand, aber er scheint entspannt und fröhlich zu sein. Er reckt seine Nase erst in Richtung des einen und dann des nächsten Hundes. „Puh“, denke ich. Also, auf zur nächsten Prüfung: der Tierarztcheck.
Wie erwartet, weicht Alex aus, als sich die Tierärztin nähert. Auch ein zweiter Versuch klappt nicht und so gibt sie mir das Gerät, um die Chipnummer auszulesen. Nach mehreren Versuchen stellt sich heraus, dass Alex Chip nicht wie üblich an der linken Seite sitzt, sondern an der rechten. Geschirr passt und nach einem kurzen Auf- und Ablaufen bekommen wir ein Go. Wir laufen mit unserem Team noch eine Pippirunde. Ich aber auch mein Freund sind erstaunt, dass Alex immer noch schwanzwedelnd mit aufmerksamen Augen und Ohren locker leicht über das Gelände trabt. Trotz fremder Menschen, Hunde und Musik. Bei der kleinen Runde blüht Alex noch mehr auf und selbst der große Bilbo ist für ihn keine Bedrohung im Gegenteil – Alex hat wieder ein temporäres Rudel gefunden.
Auf in den Matsch
Dann wird es ernst. Noch etwas aufwärmen und im Startbereich auf das Go warten. Meine Anspannung wächst und auch Alex Entspannung weicht etwas. Die Musik ist hier lauter und zwischendurch sind immer wieder Jubelrufe zu hören, die ihm nicht so behagen. Er setzt sich und drückt sich leicht an meine Beine. Doch abbrechen? Nein, so schlimm ist es auch nicht und als das Signal ertönt, läuft er freudig und schnell los, dass ich gar nicht mithalten kann. Nach einigen Metern stoßen wir auf das erste Hindernis: ein Wasser-Matschgraben. Während wir durchlaufen, schummelt sich Alex an der Seite entlang – Wasser ist eben nicht unbedingt sein Element. Es ist gar nicht so einfach. Immer wieder bleiben die Füße im Matsch stecken und wir kommen nur langsam voran. Natürlich schaffen wir es und meine Aufregung sinkt auf ein normales Level. Das Adrenalin steigt zwar, aber so, dass ich Spaß habe und weniger Angst.
Bergauf und -ab Alex gibt Gas. Er liebt es zu Rennen, aber im Rudel macht es ihm gleich noch mehr Spaß. Ich bin erleichtert. Nach ein paar Liegestützen, weil wir leider die Dosen nicht alle wegschießen konnten, folgt für uns wieder eine Herausforderung, und zwar müssen wir durchs Wasser, aber dieses Mal unter einer Plane durch. Alex geht in die Eisen. Mir wird gesagt, ich solle außen herum gehen, aber gleich am Anfang aufgeben, will ich auch nicht. Wir lassen alle vorbei und versuchen es dann in Ruhe erneut – und siehe da, Alex nimmt all seinen Mut zusammen und krabbelt mit mir dadurch.
„Es ist einfach großartig“, denke ich, während wir die Sandstrecke ablaufen. Ich entdecke meine Liebe zu Matsch! Die Aufgaben, wie ein Quietscheentchen aus dem Wasser fischen oder einer Teebeutelspur folgen, sind nichts für Alex und müssen von einem anderen Teammitglied übernommen werden. Das ist aber nicht schlimm. Alex und ich genießen den sogenannten Chill-Out-Trail und die Arbeit im Team. Während wir unproblematisch durch ein Netz krabbeln und auch das Gruselkabinett recht einfach durchqueren, wird es mit der sogenannten „Bridge of Trust“ schwierig. Ich hoffe, dass wenn Alex sieht, wie die anderen Hunde das meistern, dass er sich dann auch traut – aber Pustekuchen. Allerdings kann ich es ihm nicht verübeln, denn ich verfalle in ein altes Muster: Ich werde hektisch und das ist mit so einem sensiblen, unsicheren Hund wie Alex keine gute Kombination.
Alles geht, nichts muss
Ich sehe ihm richtig an, als ich in der Wackelmatte sitze und er am Abhang steht, dass er gerne reinspringen will. Er hadert. Er zeigt immer wieder Ansätze zum Sprung, um kurz vorher zu stoppen. Ich versuche mich währenddessen, leicht panisch, an dem Seil festzuhalten, damit ich nicht in den „Abgrund“ falle. Und dann springt Alex – blöderweise nicht auf die „Bridge of Trust“, sondern in den kleinen Spalt zwischen Hang und der Matte. Super. Die Jöringleine ist nun auf Vollspannung und der Hang zu steil, sodass Alex nicht wieder hochkommt. Panik. Ein Tipp ihn loszumachen, wiegel ich ab. Die Gefahr ist zu groß, dass er weiter wegrennt. Durchatmen, ruhig bleiben. Es gelingt mir einigermaßen und ich entscheide mich, schließlich hinabzusteigen. Nachdem ich bis zum Knie im Morast stecken geblieben bin, gelangen wir wieder zum Team. Alex hat den Schock schon vergessen: Die Rute wackelt wieder locker flockig hin und her.
Auch andere Hindernisse sind Alex nicht geheuer, aber das Tolle ist, dass er alles wenigstens einmal versucht. Wenn es nicht funktioniert, lasse ich ihn damit in Ruhe. Alles geht, nichts muss, sagen mir auch die Streckenwarte. (Ich möchte nicht jede Ecke und jedes Hindernis erwähnen, weil ein bisschen Spannung soll für jeden neuen Teilnehmer bleiben und der Text ist eh mal wieder recht lang… 😉) Nach knapp eineinhalb Stunden laufen wir ins Ziel ein. Ich bin mega glücklich und stolz auf Alex. Wir haben zwei neue Lieben: Matsch und das Camp Canis!
Zissi hat ein Video von unserem Lauf gemacht, dass Du hier auf ihrer Facebookseite findest.
Den Beitrag über unsere zweite Teilnahme beim Camp Canis findest Du hier: „Camp Canis die zweite oder wo ist der Matsch“.