Missverständnisse im Elsass

Auf der Suche nach etwas zu essen, kommen mein Hund Alex und ich an der Winstub au Tonnelet in Barr im Elsass vorbei. Es brennt Licht und durch das Fenster sehe ich, dass ein paar Tische belegt sind. Ein kurzer Blick noch auf die Karte und ab hinein.

Es ist recht eng und etwas dunkel. Die Wände sind mit Messingtöpfen behangen und ein paar verzierte Teller sind zu sehen. Rote Tischdecken, Blumen und Kerzen zieren den Raum. Eine Frau, ich glaube es ist die Betreiberin, kommt auf uns zu. Ich frage sie auf gebrochenem Französisch, ob ich hier etwas zu essen bekomme und ob Hunde erlaubt sind – sie bejaht beides.

Die Französin ist geschätzt in den 50ern, hat etwas längeres, leicht graues Haar, dass sie in einem Zopf zusammengebunden hat, und trägt eine Brille. Sie spricht mit mir Französisch, doch als sie bemerkt, dass ich sie nicht verstehe, fragt sie woher ich komme. Nach meiner Antwort wechselt sie ins Deutsche.

Es fängt an zu brodeln

Sie beugt sich über meinen Hund Alex, der mit eingezogener Rute nach hinten weicht. „Oh, was hat er denn?“, fragt sie. Ich erkläre ihr, dass er ein Angsthund ist, doch irgendwie scheint sie das nicht recht zu verstehen. Während ich mich zu einem freien Tisch zwänge, fragt die Betreiberin mich, wie lange ich den Hund schon habe? Als ich ihr mit viereinhalb Jahren antworte, schüttelt sie ungläubig den Kopf und sagt: „Das ist nicht normal!“

Ich versuche ihr erneut zu erklären, warum er solche Angst hat und dass es am Anfang sogar noch schlimmer war. Wie die meisten versteht auch die Französin nicht, dass Alex Ängste hauptsächlich auf nicht gemachte Erfahrungen zurückzuführen sind. Sie gibt mir das Gefühl, versagt zu haben. Ihr vorwurfsvoller Blick, ihr Kopfgeschüttel gepaart mit den ständigen Worten „Das ist nicht normal“ regen mich innerlich immer mehr auf.

Daß niemand den andern versteht, daß keiner bei denselben Worten, dasselbe denkt wie der andere, hatte ich schon allzu deutlich eingeseh’n.  Johann Wolfgang von Goethe

Alex hat sich inzwischen unter den Tisch verkrümelt, wo er sich an meine Beine legt. Die Wirtin kommt mit einem Keks angerauscht und wirft ihn gegen meinen Willen unter den Tisch. Natürlich frisst Alex ihn nicht und ich darf die Reste aufsammeln. Innerlich koche ich schon. Mir vorwerfen, dass ich Schuld bin, dass mein Hund noch solche Angst hat, aber ihn mit Zucker füttern wollen. „Wer hat hier denn keine Ahnung von Hunden!“, denke ich. Ich überlege sogar, aufzustehen und zu gehen. Doch ich traue mich nicht. Mein Hunger ist auch zu groß.

Als ich das Rinderfilet bestelle, sagt sie, dass sie das noch nicht kochen könne, dafür sei es zu früh. Meine Wut steigt! Schließlich habe ich ja gefragt, ob ich schon etwas zu essen bekomme. Nur kleine Speisen sind möglich und so entscheide ich mich für eine Quiche.

Innerlich brodelt es in mir, weil ich auch mitbekomme, wie sie mit dem Gast an der Bar über mich und meinen Hund redet. Auch ihm sagt sie, das sei nicht normal, dass mein Hund so viel Angst hat.

Unterstellungen eingeredet

Als sie wieder an meinen Tisch kommt, fragt sie genauer nach: Wo Alex herkommt und was er erlebt hat, möchte sie wissen. Erneut versuche ich ihr zu erklären, warum es gar nicht so ungewöhnlich ist, dass er Angst hat, da er nicht sozialisiert ist. Sie hört aufmerksam zu und ich merke, dass ich sie die ganze Zeit über falsch verstanden habe.

Sie hat mir gar keine Vorwürfe gemacht, sondern konnte einfach nicht verstehen, wie es sein kann, dass ein Hund solche Angst hat. Die Französin hat bis dato noch nie einen solchen Hund getroffen. Wenn es um Alex geht, reagiere ich oft über und fühle mich schnell angegriffen – vielleicht weil ich mir manchmal Vorwürfe mache, da ich einiges falsch gemacht habe und dadurch seine Angst teils noch recht groß ist. Die Französin gab mir allerdings nicht die Schuld: Ich hatte ihr das unterstellt und mir schließlich eingeredet.

Das war dann wohl ein sehr guter Beweis dafür, wie schnell Missverständnisse entstehen können und dass man nicht selten selbst dafür verantwortlich ist.

 

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4 Comments

    • Anni Antworten

      Hallo Georg,
      das Modell kenne ich, danke!
      Ich erlebe immer mal wieder Probleme zwischen Sender und Empfänger, aber eine so extreme Erfahrung, wie ich sie hier schildere, hatte ich bis dato noch nicht gemacht.
      Grüße

  1. Was für ein bewegender Bericht! Auch ich bin sehr empfindlich was meine Tiere angeht. Eine interessante Erfahrung für euch alle. Vielen Dank für den schönen Artikel.
    Vg von unseren vielen Pfoten

    • Anni Antworten

      Hallo Sandra,
      danke für Deine lieben Worte!
      Es freut mich sehr, dass Dir mein Text gefällt und es beruhigt micht, dass ich mit meiner Empfindlichkeit nicht alleine bin! 🙂 VG zurück

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