Mit Hund im Frau-Holle-Land wandern: Premiumweg P18 Tannenburg

Eigentlich wollte ich mit meinem Hund mehr im Thüringer Wald wandern – eigentlich. Irgendwie läuft es bei mir meist anders als geplant. Und so entscheide ich mich für einen Premiumweg im hessischen Frau-Holle-Land. Auf zur Tannenburg.

War das gerade der Parkplatz? Google Maps sagt, ich muss noch ein Stück weiter, aber es irrt. Nein, ganz stimmt das nicht: Es hat mich nur näher zu der Tannenburg geführt, allerdings ist es ein schmaler Weg, den Wiese umsäumt. Scheinbar wird hier nur für Feste ein Parkplatz eingerichtet. Also drehen wir um. Zurück zum Wanderparkplatz oder zu der Schutzhütte „Schweinerevier“. Ein lustiger Name, der mir aber gleich ein paar Bilder in den Kopf jagt: Schnaufende, grunzende Tiere mit großen Eckzähnen, die alles andere als harmlos wirken, laufen bedrohlich auf uns zu… Oh Mann. Ich hoffe, der Name ist nicht Programm.

Geo-Naturpark Frau-Holle-Land

Bei dem Frau-Holle-Land handelt es sich um einen Geo-Naturpark, der sich über mehrere hessische Gebiete erstreckt. So befindet er sich im Landkreis Kassel, im Werra-Meißner-Kreis und im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Der Name stammt von der Märchenfigur Frau Holle der Gebrüder-Grimm: Denn Frau Holle soll in Hessen leben, und zwar schüttelt sie auf dem Hohen Meißner das Bett aus. Es gibt in dem Gebiet 26 Premiumwege, die vom Deutschen Wanderinstitut geprüft wurden. Der 133 Kilometer lange Werra-Burgen-Steig und der 80 Kilometer lange GrimmSteig führen ebenfalls durch das Frau-Holle-Land. Außerdem gibt es noch weitere Wanderwege und einige Lernwege, die Wissen zu verschiedenen Themen vermitteln.

Alex kann es kaum erwarten, die neue Umgebung ausgiebig zu erschnüffeln. Blöderweise bin ich noch nicht startklar, sodass er an der Schleppleine ruckt, sich irgendwo festwickelt und mich vom Wanderrucksack packen abhält. Leicht genervt, bringe ich wieder Ruhe und Ordnung rein. Auto zu und den Schlüssel sicher im Rucksack verstauen. Alex zieht schon wieder voran. Ich kann mich nur schwer beherrschen, die Fassung nicht zu verlieren. Das Wandern soll uns doch Spaß machen und nicht gleich zu Beginn verärgern. Also tief durchatmen, Rucksack auf den Rücken und los.

Der Kies knirscht unter meinen Füßen und Alex schnüffelt gefühlt jeden Zentimeter ab. Jetzt bin ich es, die Vorwärts will. Tja, das Problem haben wir öfter einmal. Ruhe bewahren, fällt mir da gar nicht so leicht, aber irgendwie schaffe ich es. Mein Hund und ich passen also unser Wandertempo an. Nach wenigen Schritten geht es schon auf einen schmalen Pfad, der nicht für zwei Personen nebeneinander reicht. Er verläuft parallel zu dem Schotterweg, lässt mein Wanderherz aber viel höherschlagen. Brauner Waldboden, auf den ein paar abgestorbene Blätter liegen. Solche Pfade versprechen mehr Natur und Abenteuer, zumindest kommt es mir so vor.

Steil bergab

Es geht näher an den Laubbäumen vorbei. Hier und da bricht sich eine Baumwurzel den Weg durch die Erde nach oben, sodass ich aufpassen muss nicht zu stolpern. Eine komische Baumformation erregt meine Aufmerksamkeit. Unten treten aus dem Hauptstamm zwei dünnere Baumstämme hervor und recken sich in den Himmel. Es sieht aus, als hätte der Baum zwei dünne Arme, die sich recht dicht an seinen Körper pressen, bevor sie etwas Abstand nehmen, als würden sie weiter oben etwas in Empfang nehmen oder jemanden in die Arme schließen wollen.

Wir schlängeln uns durch den Wald im hessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Ein Farbtupfer durchbricht das Grün am Boden: Fliederfarbene Blüten mischen sich unter die Blätter und Stängel. Einmal den Schotterweg passieren und auf der anderen Seite an einer Wiese entlang. Die grünen, beigen Halme sind hochgewachsen. Zwei schmale Spurrillen zeigen den Wanderweg, aber dem Bewuchs nach scheint er nicht so oft begangen zu werden. Tiefhängende Äste mit grünen Blättern versperren etwas die Strecke. Dadurch wirkt alles recht natürlich und wild. Das gelbe P18 ist trotzdem immer gut zu sehen und so mache ich mir keine Sorgen, einen falschen Weg einzuschlagen. Es geht bergab: Vielleicht in einer Steigung von 20 Prozent – oder doch mehr oder weniger? Egal, zum Glück muss ich hier nämlich nicht hoch. Allerdings wenn es bergab geht, geht es auch irgendwann wieder bergauf. Das ist mir klar.

Alleine unterwegs mit Hund

Kurz innehalten, den Blick über die Wiese gleiten lassen, die sich zwischen den grün blühenden Bäumen breit gemacht hat. Schon tauchen wir wieder in den Wald ein. Nur kurz, denn dann kommt schon der nächste breite Schotterweg. „Was ist eigentlich, wenn mir etwas passiert? Keiner weiß, wo ich bin.“ Mir kommt eine gruselige Geschichte in den Sinn. Im Thüringer Wald soll kürzlich eine Leiche in einer Felsspalte gefunden worden sein. Sie lag schon länger da und der Fund war reiner Zufall. „Sollte ich vielleicht zukünftig jemanden informieren? Es gibt doch Apps, mit denen sich die Wege beziehungsweise Standorte genauestens verfolgen lassen, oder nicht? Darum kümmere ich mich zu Hause. Jetzt heißt es wandern mit Hund und die Ruhe genießen!“

Verschiedene Vögel begleiten uns mit ihrem Zwitschern. Die Blätter rascheln im Wind und entfernt höre ich Autos. Ansonsten nichts. Niemand ist hier unterwegs. Langsam geht mir der Schotter auf die Nerven. Es wird langweilig, das findet auch mein Hund Alex. Das merke ich daran, dass er nicht mehr herumschnüffelt und langsamer wird. Eine Kreuzung und die Schilder führen uns wieder auf einen braunen Waldboden, nicht so schmal wie vorhin, denn hier können mindestens zwei Personen nebeneinander laufen, aber trotzdem besser als der Schotter. Es geht leicht bergab und dann natürlich bergauf. Aber nur ein Stück.

Der weiße Kalimandscharo in Sicht

Kurz zweifle ich, ob wir den richtigen Weg eingeschlagen haben, da zeigt sich schon wieder die gelbe P18 am Baumstamm. Wir tauchen zwischen den Bäumen hervor. Wandern am Waldrand entlang. Neben uns ein Feld und eine schöne Aussicht auf die umliegenden Wiesen, Felder und bewaldeten Hügel. Dazwischen streckt sich die weiße Salzhalde, der Monte Kali, in den Himmel.

Zwischen der äußersten Baumreihe steht eine Bank. Ihre Einladung zu einer Wanderpause nehme ich dankend an. So können wir etwas trinken und die Aussicht genießen. Doch ein Geräusch lenkt mich immer wieder ab. Liegt es am leichten Wind, der zwischen den Ästen hindurchzieht und die Blätter rascheln lässt? Nein, es kommt vom Boden. Ein leises Knistern, dass so klingt, als würde jemand an der Bank knabbern. Ich suche den Boden ab. Das Gras und Laub verdecken die Sicht. „Es muss eine Maus sein“, denke ich gerade, da legt Alex schon seinen Kopf schief, spitzt seine Knickohren und kräuselt seine Hundenase. Schnell, aber auf leisen Pfoten nähert er sich der Bank und steckt die Schnauze in den Boden. Ok, das wars dann wohl mit der Pause. Mäuse fangen und stören, erlaube ich nämlich nicht.

Mehrere Schächte erinnern an den Bergbau

Wir wandern weiter. In 454 Meter über Normalhöhennull erwartet uns kurz darauf der Rastplatz „Hohe Süß“. Mit Hilfe des Panoramaschildes entziffere ich die bewaldeten Hügel: Rechterhand sehe ich die Wasserkuppe, mit rund 950 Meter ist es der höchste Berg der Rhön. Recht mittig befinden sich der Roßberg (rund 701 Meter), die Gemeinden Süß und Dippach. Letztere lässt sich eher nur erahnen. Weiter links zeigt sich der Große Inselsberg. Ein beliebtes Ausflugsziel im Thüringer Wald und am Rennsteig. Seine rund 916 Meter bescheren in aber nur den vierten Platz im Freistaat. Davor sind der Große Finsterberg (rund 944 Meter), der Schneekopf (rund 978 Meter) und der Große Beerberg (rund 982 Meter). Laut Schild müsste die Wartburg ebenfalls zu sehen sein, aber ich kann zwischen dem ganzen Grün nicht einmal einen dunklen Fleck ausfindig machen. Vielleicht bin ich dafür aber einfach zu kurzsichtig. Alex interessiert sich eh mehr für die Grashalme und Bänke. Er läuft an keiner Bank vorbei, ohne diese einmal abzuschnuppern. Warum auch immer.

Das Richelsdorfer Gebirge gehört zu den ältesten Bergbauregionen Deutschlands. Vermutlich wurde hier bereits im 14. Jahrhundert Kupfer abgebaut. Urkunden belegen den Bergbau seit 1460 und der Großteil der Bewohner (bis zu 80 Prozent) der Gemeinde Süß lebten davon. Später kamen unter anderem Kobalt- und Schwerspatbergbau beispielsweise im Hasselfeldstollen dazu.

Kurz geht es über Asphalt, bis wir wieder in den Wald eintauchen. Schnell gelangen wir wieder auf einen schmalen Waldpfad. Wir haben noch ein paar Schächte passiert wie Carl Friedrich und eine weitere Baumformation. Dieses Mal sehe ich ein Dreiergespann, das sich innig umarmt, wie Mutter-Vater-Kind oder doch eher eine Dreiecksbeziehung?

Bärenangst beim Wandern mit Hund

Ich bin dankbar, dass ich an sich gesund bin und mit Alex wandern kann. Ein mulmiges Gefühl macht sich dennoch breit und die nächste „Horrormeldung“ steigt aus meinem grauen Gedankenarchiv empor. Der Autor Andreas Kieling wurde in den rumänischen Karpaten von einem Bären angegriffen. „Als Naturfilmer ist das Risiko natürlich weitaus größer als für mich, aber in Bayern wurde doch erst wieder ein Bär entdeckt. Was wenn der nach Hessen wanderte und nun unseren Weg kreuzt? Ruhe bewahren, sich hinlegen, Hände ans Genick und möglichst nicht schreien, wenn der Bär an einem knabbert, das schafft vielleicht der Kieling, ich aber sicherlich nicht. Und Alex erst recht nicht. Hoffentlich müssen wir nie herausfinden, wie wir beide auf so eine Begegnung reagieren.“

So sprudelt es in meinem Kopf und ich frage mich: „Sollte ich meine Traumreise nach Finnland vielleicht doch nicht wagen? Angst ist gut und wichtig, aber nicht immer der beste Ratgeber. Es gilt: Keine Entscheidung aus Angst treffen…“ Ach, das nervt doch, dass ich immer solche komischen Gedanken habe, wobei, nein, eigentlich nicht. Die Gedanken dürfen sein. Sie dürfen mich nur nicht gefangen nehmen. Und schon wieder macht sich Dankbarkeit breit: Denn ich akzeptiere meine Angst und bin ihr dankbar, denn sie will mich nur beschützen.

Ein paar Häuser quetschen sich zwischen die Bäume und ein breiter Weg führt uns in ausladenden Kurven zum nächsten Rastplatz. DDas Schild zeigt eine Abkürzung zur Tannenburg, aber der unebene, breite Wirtschaftsweg bergab wirkt nicht gerade ansprechend. Der schmale Eichhörnchenpfad hingegen umso mehr. Ich möchte nur nicht durch Nentershausen wandern. Es ist bestimmt ein nettes Dorf, aber ich habe keine Lust auf Menschen und mein Angsthund Alex sicherlich auch nicht. Trotzdem wagen wir es. Unsere Füße und Pfoten federn über den schmalen, braunen Pfad – natürlich hintereinander. In Nentershausen soll Wilhelm Grimm übrigens seine Frau Dorothea, „Dortchen“, kennengelernt haben.

Am Bergrand entlang

Wir treffen auf eine andere Frau. Eine Spaziergängerin kommt uns entgegen und ich muss Alex auf dem bemoosten Hang neben uns positionieren, damit sie vorbeikann. Glücklicherweise bleibt mein Hund ruhig. Auf so schmalen Pfaden am Bergrand kommt es vermutlich nicht so gut an, wenn er andere Menschen anbellt. Schließlich können die sich erschrecken und auf der anderen Seite geht es bergab, wenn auch alles andere als kerzengerade, kann ein falscher Schritt hier sicherlich schmerzhaft enden.

Die nächste Wegkreuzung erwartet uns. Nun steht wieder eine Entscheidung an: Weiter auf den romantischen Teil des Premiumweges P18 und somit weiter Richtung Dorf oder jetzt eine Abkürzung nehmen? Letztere erscheint mir wieder nicht lukrativ. Es geht bergauf und der Weg bleibt uneben. Ich kann mich nicht entscheiden. Alex scheint genau wie ich mehr Lust darauf zu haben, hintereinander an den teils bemoosten Hängen vorbeizuwandern. Allerdings weiß er ja nicht, dass dieser in die Ortschaft führt. Die Entscheidung fällt: Abkürzung. Ich finde den Weg mühsam. Erst geht es bergauf, dann bergab. Schwere Fahrzeuge haben tiefe Bodenrillen hinterlassen. Sie machen den Weg uneben und erschweren das Gehen. Ich ärgere mich etwas über meine Entscheidung, aber dafür bleiben wir allein.

Wieder denke ich kurz darüber nach, was wenn mir etwas passiert? Zumindest spaziert hier irgendwo eine Frau. Umknicken wäre aber trotzdem nicht so gut. Endlich geschafft und wir landen auf einem Schotterweg. Hinter den Bäumen zeigt sich ein Stück der Feriensiedlung. Glücklicherweise weist das Schild in die andere Richtung. Weg von der Zivilisation.

Ahoi Tannenburg oder Burg Tannenberg

Zwischen den Bäumen noch einmal einen schmalen Pfad hinauf, bei dem Waldstufen den Abschluss bilden. Dann sind wir endlich an der Tannenburg angekommen. Sie wurde im 14. Jahrhundert errichtet und befindet sich in den Ausläufern des Richelsdorfer Gebirges. Genau genommen in etwa 354 Meter Höhe auf dem Tannenberg. Deshalb heißt sie eigentlich Burg Tannenberg, wird aber oft Tannenburg genannt.

Ein hellbraunes hohes Holztor verriegelt das Innere, schließlich ist nicht Sonntag und wir haben die Burg nicht gemietet. Deshalb können wir weder Honig und Met aus der burgeigenen Imkerei noch Töpferwaren oder Ritterspielzeug einkaufen. Zugegeben für Letzteres habe ich persönlich keine Verwendung. Die Mauerreste können wir aber hingegen sehr wohl erkunden und einmal um die Burg herumgehen. Keine Menschenseele stört uns dabei.

Die Eselei ist meinem Hund nicht geheuer

So Endspurt. Wir wandern die Straße ein Stück hinab, bleiben aber an dem Gehege unterhalb der Burgmauern stehen. Ein Esel mit breiter Blesse und wuscheligen Ohren schaut aus dem Holz-Stall, dessen Dach grün-gelbes Moos bedeckt. Sein grau-weißer Artgenosse kommt zum Zaun und schaut uns mit weichen Augen an. Alex wirkt sehr interessiert: Er reckt die Schnauze in den Himmel und seine Nasenflügel zucken, was das Zeug hält. Dabei nähert er sich immer mehr dem ihm unbekannten Tier. „Vorsicht, Du weißt nicht, wie der Esel reagiert“, ermahne ich ihn. Er ignoriert das. Der Esel dreht seinen Kopf zu Alex und bewegt sich nur leicht, indem er mit den Vorderbeinen vielleicht drei Zentimeter in Alex Richtung geht. Das genügt Alex schon: Er bekommt Panik und springt weg. Als hätte ich es geahnt. Der zweite Esel kommt hinzu, sodass Alex erst recht einen Sicherheitsabstand hält.

Ich verabschiede mich von den beiden Eseln und wir folgen der Straße bergab. schon taucht wieder ein schmaler Pfad auf, natürlich bergauf. Eine Bank und ein schöner Blick auf die Burg lohnen die kurze, aber doch bemerkbare Mühe: Mein Atem verwandelt sich in ein leichtes Schnaufen. Noch eine kleine Pause und dann nehmen wir den breiten Weg zurück zum Schweinerevier.


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