Blogparade: Leben mit schwierigem Hund

Wie die meisten von Euch schon mitbekommen haben, ist das Zusammenleben von Alex und mir nicht immer einfach. Als ich vor einiger Zeit den Aufruf zur Blogparade vom Hundekind Abby und ihrem Frauchen gelesen habe, war mir sofort klar, da muss ich mitmachen. Das Thema „Leben mit schwierigem Hund“ passt auf uns nämlich wie die Faust aufs Auge. 

Natürlich ist es oft am Anfang nicht leicht, wenn ein neuer Hund einzieht. Schließlich muss man sich erst kennenlernen und aufeinander einstimmen. Doch es gibt natürlich noch ganz besondere Fälle, bei denen die Angewöhnung länger dauert und/oder einige Probleme dauerhaft bleiben. Alex gehört definitiv zu den letzteren Kandidaten – denn er ist ein nicht sozialisierter Angsthund.

Liebe auf den ersten Blick

Als ich Alex das erste Mal sah, wusste ich sofort, dass er der richtige Hund für mich ist. Dabei war ich eigentlich wegen eines anderen Hundes, den ich im Internet sah, ins Tierheim gefahren. Doch ich wollte mir alle Hunde in Ruhe anschauen. Alex saß mit mehreren süßen Artgenossen in einem Zwinger. Manche von ihnen kamen gleich an die Gitter gerannt und wedelten fröhlich mit ihren Ruten. Andere versteckten sich. Alex war so ein Mittelding. Er hielt Abstand und war etwas angespannt, aber auch neugierig. Als sich unsere Augen trafen, wusste ich sofort: Der ist es!

Also holte ich einen Tierheimmitarbeiter und erzählte ihm von meinem Interesse. Dieser warnte mich gleich und sagte, dass Alex aus einer Tötungsstation käme, wo er vermutlich geboren sei und dass er keinerlei Erfahrungen mit Menschen und anderen Dingen gemacht hat. Deshalb könne es etwas schwierig mit ihm werden. Ich wollte einen Rückzieher machen. Schließlich wollte ich keinen Hund aus dem Ausland und ich wollte auch nicht so einen schwierigen Hund. Doch bevor ich etwas sagen konnte, sagte der Mitarbeiter: „Ich hole ihn raus und dann können sie sich ja erst einmal mit ihm in einen Auslauf setzen.“ Ok dachte ich, versuchen kann ich es ja. Der Versuch dauerte über eine Stunde und spätestens nachdem sich Alex neben mich setzte, war klar, den nehme ich mit.

Zwei Wochen war ich jeden Tag im Tierheim, um uns aneinander zu gewöhnen. Auch die Leine, das Geschirr und das Spazierengehen musste ich ihm dort Stück für Stück beibringen. Nach einem Probebesuch zog Alex dann nach zwei Wochen bei mir ein. Zwar wurde ich ja gewarnt und hatte mir auch bereits viele Informationen zu dem Thema geholt und mich von einer befreundeten Hundetrainerin beraten lassen, aber trotzdem habe ich die Probleme etwas unterschätzt.

Hindernisse und Schwierigkeiten sind Stufen, auf denen wir in die Höhe steigen. Friedrich Nietzsche

Dinge wie die Stubenreinheit, das Autofahren oder Grundkommandos wie Sitz und Platz beibringen, bereiteten keine wirklichen Schwierigkeiten. Eine Verbindung aufzubauen, klappte ebenfalls recht gut, auch wenn das vermutlich länger dauerte als bei anderen Hunden. Das größte Problem war und ist einfach seine Angst. Es gab kaum etwas vor dem Alex keine Angst hatte. An manche Sachen konnte ich ihn zwar schneller heranführen und gewöhnen, aber manche sind ihm heute nach fast fünf Jahren noch immer ein Graus. Und manches hat sich durch verschiedene Vorfälle noch verschlimmert.

Nachdem wir Schritt für Schritt das Spazierengehen gelernt hatten, lief er eigentlich ganz gut an der Leine – bis zu diesem einen Tag. Wir gingen an einem See spazieren und mussten die wenig befahrene Zufahrtsstraße passieren. Von der einen Seite kam ein Fahrrad, Drahtesel waren Alex schon vorher nicht ganz geheuer, und von der anderen Seite kam ein Auto. Also ging ich mit ihm an den Rand. Er machte ganz von alleine Sitz. Doch auf einmal sprang er schreiend auf. Er kriegte sich gar nicht ein und ich geriet leicht in Panik, weil ich nicht wusste, was passiert war. Erst dachte ich an einen Wespenstich, aber als wir ein Stück weiter gegangen waren, um ihn weg von dem Fahrrad und dem Auto zu bringen, entdeckte ich das Problem. Neben uns war ein Zaun, der seine Ausläufer im Gras auf den Boden hatte, und an einer Stelle hing ein Schild auf dem Stand „Vorsicht Strom“. Kein Wunder, dass Alex so aufsprang und schrie.

Alex Angst kann gefährlich sein

Ab dem Moment wurden seine Angstreaktionen an der Leine richtig schlimm. Bei für ihn besonders beängstigenden Dingen wie Fahrrädern und insbesondere Kindern, sprang er richtig im Karree. Des Öfteren holte er mich so fast von den Füßen. Einmal ist er so sehr in die Leine und im Kreis gesprungen, dass es mir einen Wirbel raus haute. Zuerst waren alle meine Bemühungen und Versuche, das Problem zu beheben vergebens. Mein damaliger Tierarzt und Trainer konnte uns aber ein Stück weit helfen und es wurde deutlich besser. Doch es gibt auch noch heute immer wieder Phasen, wo ihn die Panik ergreift und er nach vorne oder zur Seite springt.

Wenn Alex Angst bekommt, schaltet sich bei ihm alles aus und er will nur noch fliehen. Dass das nicht ungefährlich ist, hat er erst in Liechtenstein wieder bewiesen, als er trotz Leine auf die Straße sprang. Glücklicherweise hatte das ankommende Auto einen großen Abstand zum Bordstein, sonst hätte es ihn volle erwischt. Zwar passiert so etwas selten, aber es passiert immer wieder mal. Auch flippt er noch regelmäßig aus, wenn er auf Kinder trifft und das schon weit bevor wir welche sehen. Wenn er beim Spazierengehen auf einmal komisch wird und gar wegrennen will, weiß ich, irgendwo muss ein Kind sein. Manches Mal taucht es dann nach gefühlten Ewigkeiten auf. Aber nicht nur draußen bereiten Kinder ihm Probleme, sondern auch drinnen.

Im Wohnzimmer haben wir bodentiefe Fenster, die Alex gerne sozusagen als Fernseher nutzt. Doch immer wenn ein Kind vorbeikommt, flippt er völlig aus. Er verfällt dann in ein lautes, panisches Bellen, von dem er sich nicht so leicht abbringen lässt. Es kostet mich manchmal große Bemühungen ihn zu beruhigen und manchmal auch die Nerven. Natürlich weiß ich inzwischen, dass ich das Ganze mit meinem Verhalten verstärken kann und es teilweise auch tue. Aber trotzdem gibt es so Tage, wenn ich beispielsweise gestresst bin, da könnte ich schier ausflippen und würde ihn am liebsten auf den Mond schießen. Natürlich würde ich das nicht tun, auch wenn ich könnte, aber es ist eben nicht immer leicht.

Was auch ganz schön nervenaufreibend ist und mich schon manches Mal frustriert hat, sind diese Rückschläge. Wir haben fleißig geübt und ich denke, „super das Problem wie zum Beispiel seine Angst vor Fahrrädern ist gelöst oder deutlich besser“ und dann passiert etwas und all die Arbeit ist dahin. Es muss auch nicht mal etwas Großes sein. Eine Kleinigkeit reicht aus zum Beispiel, wenn ein Fahrrad vorbeifährt und im gleichen Moment kippt eine Mülltonne um. Mir kamen manchmal schon vor Frust die Tränen, weil auf einen Schritt nach vorne mindestens zwei zurück gingen. Und das bei wirklich allem.

Angriff statt Flucht

Alex Angst und schlechte Erfahrungen sind auch dafür verantwortlich, warum Hundebegegnungen oft nicht ganz unproblematisch sind. Er wurde am Anfang wegen seiner Angst und Unsicherheit oft angegriffen. Als er dann etwas selbstbewusster wurde, ist er nicht mehr weggerannt, sondern wehrte sich. Ein Problem mit dem wir heute noch zu tun haben. Denn bei großen Hunden geht er ganz schnell in den Angriffsmodus über, auch wenn diese ihm freundlich gesinnt sind. Und so muss ich aufpassen, dass er nicht „grundlos“ einen anderen angreift und/oder verletzt, was bis jetzt (toi, toi, toi) zum Glück nur im Kleinen passiert ist.

Wäre er wie mein letzter Hund, der sich nicht für seine Artgenossen interessierte, wäre es gar nicht so das Problem. In unserer neuen Heimat treffen wir nicht dauernd auf andere und eigentlich holen alle ihren Hund heran, wenn sie sehen, dass Alex an der Leine ist. Alex braucht jedoch den Kontakt zu anderen. Ihm ist das wichtig mit seinen Artgenossen zu toben. Mit kleinen geht das auch problemlos, bei großen, die öfter mal tempomäßig zumindest etwas mit ihm mithalten können, ist das schon schwieriger. Aber wir arbeiten auch fleißig daran.

Genauso wie an einem weiteren Problem, dass uns besonders das Leben erschwert und zwar sein Jagdtrieb. Hier in Baden-Württemberg hat er diese Leidenschaft für sich entdeckt. Leider gehört er nicht zu den Hunden, die nur mal eben kurz zwei drei Meter hinterher springen und das wars. Nein, wenn dann richtig. Und so rennt er bis zum Ende hinterher. Ein Tier reißen würde er allerdings nicht. Zumindest glaube ich das, weil er bereits einmal die Chance gehabt hätte, aber dann vorher abdrehte. Doch solange sich das Tier bewegt, läuft er mit. Normalerweise bleibt er stets in meiner Nähe, aber in so einem Moment schaltet alles bei ihm aus. Dann verhält er sich wie ein Süchtiger, der an nichts anderes mehr denken kann als an die Hatz.

Wohlbehagen ermattet den Geist, Schwierigkeiten erziehen und kräftigen ihn. Francesco Petrarca

Wir haben viel geübt und haben auch schon große Fortschritte gemacht, aber leider muss er immer noch an der Schleppleine laufen. Da er so gerne rennt und ich bei seinem Tempo einfach nicht mithalten kann und Fahrradfahren mit ihm viel zu gefährlich ist, tut es mir manchmal Leid, dass er zur Zeit darauf verzichten muss. Die Gefahren, die mit seinem Jagen verbunden sind, sind jedoch einfach zu groß, sodass die Leine dran bleibt. Allerdings bin ich sehr zuversichtlich, dass wir das bald ändern können zumindest außerhalb von Wäldern. Auch diese Geschichte hat mich schon manches Mal total gefrustet, zur Weißglut und Verzweiflung getrieben.

Teilweise war meine Verzweiflung so groß, dass ich überlegte, ob Alex es nicht woanders besser hätte. Denn auch ich bin nicht gerade einfach und habe so manche Probleme, wodurch ich nicht immer in der Lage bin, ihm die nötige Unterstützung zu geben. Manches Mal hat mein Fehlverhalten sicherlich dazu geführt, dass ein Problem wieder größer wurde oder auch dazu, dass wir uns beide noch nicht zu 100 Prozent vertrauen (ein Beispiel gibt es unter „Mein Hund und seine Monster: Ich habe es mal wieder verbockt“). In manchen Momenten dachte ich dann, dass er bei einem sehr souveränen und ruhigen Herrchen oder Frauchen vielleicht glücklicher wäre. Doch auch wenn die Verzweiflung und der Frust teilweise riesig waren, könnte ich es nicht übers Herz bringen!

Aufgeben ist keine Option

Ich liebe diesen Hund so sehr und ich weiß, dass ich ihm mindestens genauso wichtig bin. Ich bin der erste Mensch zu dem er überhaupt eine Beziehung aufgebaut hat. Auch wenn er inzwischen viele Menschen sehr gerne mag, hängt er an mir besonders und ist ein richtiges „Muttersöhnchen“ wie man so schön sagt. Manche sagen jetzt vielleicht, aber er kann sich doch auch an eine neue Familie gewöhnen. Das stimmt, aber trotzdem würde er mich ja nicht vergessen. Die Abgabe und Trennung von mir würde ihm große Trauer bereiten, die immer ein Stück weit bleiben würde, davon bin ich fest überzeugt.

Davon abgesehen, gehöre ich zu den Menschen, die nicht so schnell aufgeben und immer weiter kämpfen. Und das tue ich auch. Alex und ich haben schon große Fortschritte gemacht. Wir wachsen jeden Tag ein Stück mehr zusammen. Klar manchmal entfernen wir uns wieder etwas, weil etwas Blödes passiert ist oder ich falsch reagiert habe, aber ich kann mir ein Leben ohne Alex nicht vorstellen. Zwar habe ich bereits manche Träne aus Kummer wegen ihm geweint, aber noch viel mehr aus Freude. Er ist nicht nur mein Hund, sondern auch ein Familienmitglied und Helfer. Dank den Schwierigkeiten mit ihm und dank seiner Angst, habe ich so viel gelernt sowohl über Hunde als auch über mich, Traumata bewältigt, habe mehr zu mir gefunden und führe ein glücklicheres und zufriedeneres Leben. Also ich sehe das so: Ein Leben mit schwierigem Hund ist auch gleichzeitig eine Chance für persönlichen Wachstum und ein erfüllteres Leben!

Gibt es in Eurem Leben mit Hund auch schwierige Momente? Dann freue ich mich davon in den Kommentaren zu lesen!

3 Comments

  1. Ich kann deine Gefühle nur zu sehr nachempfinden! Ich habe ebenfalls eine Angsthund, der seit Welpenalter so ist. Ich hatte die Verantwortung und die Aufgaben deutlich unterschätzt.
    Kinder, Fahrräder, fremde Geräusche/Umgebungen – es gibt viele Gründe die bei ihm unkontrollierte Panikanfälle auslösen. Manchmal reicht es, wenn wir auf der für ihn „falschen“ Straßenseite gehen. Ich nenne ihn manchmal auch liebevoll Sheldon Cooper. 🙂 Wir machen einige mühsame Schritte vorwärts und dann durch einen kleinen Augenblick, wieder riesige Rückschritte. Es ist manchmal zum verzweifeln. Auch ich habe immer wieder an mir selbst gezweifelt und mit dem Gedanken gespielt, dass er es wohl bei anderen Besitzern besser hätte. Das Leben mit so einem Hund ist schwer, man erntet nicht immer Verständnis, aber man schätzt die kleinen Fortschritte viel mehr, als bei einem „normalen Hund“. Da Dali als Zweithund zu mir kam, habe ich immer den direkten Vergleich. Durch die Panikanfälle und einen ebenfalls ordentlichen Jagdtrieb fristet Dali auch ein Leben an der Schleppleine, was mir sehr leid für ihn tut. Doch die Gefahr, dass er in seiner blinden Panik abhaut ist einfach zu groß. Dafür hat er auf dem Hundeplatz mehrmals die Woche die Möglichkeit, zu rennen und zu spielen.
    Es gab oft Momente wo ich die Entscheidung, einen solchen Hund zu holen fast bereut hätte. Dennoch möchte ich keinen Augenblick missen. Ich musste von meiner Idealvorstellung, wie ein perfekter Begleithund aussehen soll, einfach Abstand nehmen. Seit ich hier lockerer geworden bin und meinen Hund nicht unbedingt in diese Norm zwinge, leben wir sehr entspannt und Ausraster werden auch weniger. Zwischenzeitlich ist der kleine Erziehungsverweigerer sogar fleißig im Rally Obedience aktiv und hat Spaß daran.
    Liebe Grüße,
    Nadia

    • Anni Antworten

      Liebe Nadia,
      vielen lieben Dank für Deinen Kommentar und dass Du Deine Erfahrungen hier geteilt hast!
      Ich kann das alles absolut nachvollziehen und Deine Worte nur unterstreichen. Es freut mich, dass Du ihn nicht weggeben hast und jede Kleinigkeit genießt. Es ist manchmal wirklich sehr schwer, aber gerade solche Herausforderungen bringen einen viel weiter im Leben als alles andere.
      Ja, ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es besser klappt, wenn man aufhört seinen Hund an die eigenen Vorstellungen anzupassen, sondern ihn so nimmt, wie er ist.
      Mach weiter so und ich wünsche Euch alles Gute!!!
      Liebe Grüße
      Anni

      Ps: Falls Du mal wieder einen Moment der Verzweiflung durchlebst, kannst Du Dich gerne bei mir melden und ich gebe mein bestes, Dir da durch zu helfen! Schließlich können einem oft diejenigen am besten helfen, die Ähnliches erlebt haben. 🙂

  2. Pingback: Leben mit schwierigem Hund - so lief unsere Blogparade - hundekind-abby.de

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