Nach Hessen sind wir vor allem zum Wandern gefahren. Rund um den Edersee gibt es zahlreiche kurze sowie lange Touren. Eine der längsten ist der Urwaldsteig. Doch wir wollten nicht die ganzen circa 68 Kilometer laufen, sondern nur einen Teil.
Direkt von unserer Ferienanlage Edertaler Hof machen wir uns auf den Weg. Es geht kurz auf die andere Seite und die gegenüberliegende Straße entlang. Schon nach einigen Metern tauchen wir in den Wald ein. Alex läuft entspannt neben mir und so kann ich mich auf die Natur konzentrieren. Ein breiter Weg, der mit Laub bedeckt ist, führt uns vorbei an den Buchen, die den Hauptbestand ausmachen. Auf den kleinen Hängen zu unserer Linken ist zwischendurch grün leuchtendes Moos zu sehen. Hier und da ragt eine Baumwurzel aus der Erde über den Weg empor. Auch abgestorbene und umgefallene Bäume sind immer wieder zu entdecken.
Leichte Steigungen führen uns immer weiter in den Wald. Nach einiger Zeit geht es zu unserer Rechten steil bergab. Doch da auch diesen Hang zahlreiche Bäume zieren, wirkt es nicht sehr beängstigend auf mich (Ich habe leider etwas Probleme mit Höhen.) Der Weg ist jedoch breit genug und so führe ich Alex weit rechts entlang.
Inzwischen ist das erste Urwaldsteigsymbol aufgetaucht. Ein blauer Kreis mit den Buchstaben UE, dem wir ab jetzt folgen. Als Erstes führt uns der Weg zur kleinen Kanzel am Edersee. Von hier haben wir einen wunderschönen Ausblick auf die Sperrmauer, den See und auf den gegenüberliegenden Wald, dessen Farben schon etwas verblast sind. Kein Wunder der Herbst steht vor der Tür.
Der Urwaldsteig liegt im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg und führt einmal komplett um den Edersee herum. Die gesamte Tour ist etwa 68 Kilometer lang und in sechs Etappen gegliedert, die in drei bis sechs Tagen gewandert werden können. Es gibt auch einige Nebenwege, die zusammen mit dem Urwaldsteig Rundwege für Tagestouren ergeben. Ein Stück des Urwaldsteiges liegt im Nationalpark Kellerwald-Edersee und ein Stück in dem Naturpark Kellerwald-Edersee (mehr erfahrt Ihr in „Umringt von Rotbuchen und Bergen“).
Auf der Suche nach einem Zeichen
Nach einer kurzen Trinkpause für die Hunde verlassen wir die Kanzel und gehen zurück in den Wald. An einigen Stellen ist der Erdboden vom Hang gerutscht und so haben wir freien Blick auf ein paar Felsbrocken. Wir kommen an einem Rastplatz mit ein paar Bänken vorbei. Vom Urwaldsteigsymbol keine Spur. Immer mehr Laub liegt zu unseren Füßen und bedeckt inzwischen sogar den gesamten Boden, sodass wir keinen Pfad finden können. Ich steige mit Alex über umgefallene Bäume auf der Suche nach unserer Tour. Auch die Karte hilft uns nicht wirklich weiter.
Glücklicherweise fährt ein junger Mann auf einem Mountainbike an uns vorbei. Meine Freundin folgt ihm und entdeckt den richtigen Weg. Dieser ist recht schmal und geht direkt am Hang entlang. Glücklicherweise ist der nicht allzu steil und mit vielen Bäumen bestückt. Nach einigen Metern wird der Weg auch schon wieder breiter und führt uns irgendwann nach links. Nun sind wir wieder auf einer recht flachen Strecke und umgeben von Laubbäumen. Die Hänge sind so weit entfernt, das man sie nur erahnen kann.
Alex läuft weiter brav nebenher. Nur als wir auf einen Hund treffen, meint er, er müsste den großen markieren. Er macht einen kleinen Satz nach vorne und pöbelt den anderen Vierbeiner an, der völlig unbeeindruckt weiter zieht.
Kurz darauf kommen wir bei einer weiteren Kanzel an, die mit einem Geländer abgesichert ist. Uns erwartet ein atemberaubender Ausblick auf den See und das Schloss Waldeck, das auf der anderen Seite auf dem Berg thront.
Wir ziehen weiter unseres Weges, der langsam aber sicher immer steiler nach unten führt. Die Steine und Baumwurzeln, die aus dem Boden ragen, gepaart mit dem ganzen Laub, bringen mich zwischendurch zum Schwanken. Alex und ich meistern es jedoch mit mehr oder weniger wackligen Schritten. Der Weg führt uns nun hinaus aus dem Wald. Auf einigen Metern können wir ein paar Felder und den Ort vor uns sehen. Dann geht es aber auch schon wieder in den Wald, vorbei an der Teufelsschlucht, die mir etwas Unbehagen bereitet: Es geht tief hinab und unser Weg wird immer schmaler. Doch es wird noch schlimmer.
Die Angst wächst
Nach einer Kurve befinden wir uns auf einem sehr schmalen, unebenen Pfad. War zuvor der Weg noch aus Sand und gut zertrampelt, ist dieses Stück nun von einigen Felsbrocken geprägt. Wir stoppen beim Hexenberg. Während sich meine Freundin direkt auf die Bank am Hang setzt, platziere ich mich auf die Steine am Weg. Meine Hände werden etwas feucht. Zwar ist der Ausblick wunderschön, aber ich habe auch Angst. Ein kurzer Blick nach unten zeigt mir einen sehr tiefen, abrupten Abhang. Ich versuche nicht mehr hinunter zu gucken und presse mich an den Hang hinter mir.
Blöderweise kommen andere Wanderer und der Weg bietet keinen Platz. So muss ich Alex und mich doch zu der Bank bringen. Mit wackligen Beinen setze ich mich auf den Boden hinter der Bank, um mich an den Holzstäben festzuhalten. „Bleib ruhig“, sage ich zu mir selbst. Wie lang dieser Abschnitt ist, ist unklar, denn nach nur ein paar Metern geht es um die Kurve. Zwischenzeitlich überlege ich zurückzugehen und außen herum, weil meine Besorgnis wächst.
Meine Gedanken werden unterbrochen, als eine Gruppe von Wanderer direkt hinter uns stehen bleibt. Alex zieht immer weiter Richtung Abgrund. Genau an der Kante bleibt er stehen. Die Jöringleine ist auf voller Spannung. Ich kralle mich währenddessen noch fester an die Bank. Der Gruppenführer erzählt in aller Ruhe etwas über diesen Aussichtspunkt. Leider bekomme ich gar nichts von dem mit, weil mir der Arsch auf Grundeis läuft. Mein Puls und Herz rasen. Alex hängt sich dermaßen in die Leine, dass ich nur noch bete: „Bitte reiß nicht!“ Mit anzusehen, wie mein Hund hinunter stürzt, könnte ich nicht verkraften. Weiter gehen ist auch keine Option, denn Alex würde weiter ziehen und vielleicht einen Satz machen, der mich zu Sturz bringt und den Abhang hinunter. Also müssen wir ausharren.
Nach gefühlten Stunden entschließt sich die Gruppe endlich weiter zu gehen. „Puh“, entfährt es mir. Ein paar Mal atme ich tief ein und aus und wage mich dann wieder auf den Weg. Glücklicherweise ist dieser nach der Kurve etwas breiter, sodass theoretisch zwei Personen nebeneinander her laufen können. Erleichterung macht sich breit und auch etwas Stolz, denn ich bin nicht umgekehrt und habe mich meiner Angst gestellt.
Lieber hinab als hinauf
Während ich mich noch innerlich etwas beruhige, sind wir in dem Ort Waldeck angelangt. Leute treffen wir hier nur wenige, die Hauptstraße ist allerdings recht stark befahren. Wir müssen sie aber nur ein kleines Stück entlang gehen und dann verschwinden wir auch schon wieder im Wald. Nach einiger Zeit treffen wir immer mehr Menschen. Auch einige Mountainbiker sind dabei. Ich würde mich das hier ja nicht trauen, denn es geht ziemlich steil bergab. Der Erdboden ist etwas gelockert und feucht. Nicht selten rutsche ich aus. Zum Glück fange ich mich immer, sodass Alex und ich nicht hinunter purzeln. Es ist mit Abstand das anstrengendste Stück und ich bin froh, dass wir es nicht hinauf wandern.
Alex hat hingegen gar keine Probleme und zieht mich förmlich hinter sich her. Der Rest unseres Rudels kommt nämlich auch besser und schneller voran, und Alex will natürlich mithalten. Da es mir so zu gefährlich erscheint, tauschen wir die Positionen. Alex und ich gehen nun vor, was deutlich angenehmer ist. Nach einigen hundert Metern kommen wir auf die Ederseestraße bei der Talstation Waldecker Bergbahn heraus.
Wir verlassen den Urwaldsteig und begeben uns zum Edersee, wo wir unsere Füße und Pfoten abkühlen, entspannen und die Sonne genießen. Nach der Pause geht es auf die Fähre und über die Sperrmauer (mehr dazu gibt es unter „Umringt von Rotbuchen und Bergen„).
Wir lassen die Cafés und Shops auf der anderen Seeseite links liegen und steigen die Straße hinauf. Ein Baum mit einem eingeritzten Eulenkopf steht vor dem Wegeingang. Die Strecke führt uns direkt am Edersee vorbei, der sich uns in seiner schönsten Pracht zeigt. Auf dem tiefblauen Wasser liegen ein paar Boote und Segelschiffe. Ein Stück weiter fahren Leute Wasserski. Der Weg ist zwar breit und größtenteils mit einem Geländer bestückt, doch es geht steil hinunter und am Boden sind Steinfelsen. Ständig sausen Fahrräder an uns vorbei, was Alex gar nicht behagt. Er fängt wieder an zu ziehen.
Nach einigen Metern bemerke ich meinen Fehler. Seitdem wir die Seeseite gewechselt haben, folgen wir der Route E. Doch blöderweise habe ich mich nur auf den Buchstaben konzentriert und nicht auf die Farbe: Nun sind wir auf der grün markierten Fahrradtour. Also geht es wieder zurück. Bei der Eule biegen wir nun links ab und entdecken kurze Zeit darauf das weiße E auf schwarzem Grund.
Wo sind wir noch gleich?
Diese Tour führt uns durch Felder. Die pralle Sonne scheint auf unseren Kopf und Alex ist kaputt, weshalb wir einen der wenigen Apfelbäume nutzen, um im Schatten eine Pause einzulegen. Als er wieder fitter wirkt, wandern wir weiter. Wir gelangen an die Landstraße, die ebenfalls nicht mit Schattenplätzen prahlt. Schilder suchen wir vergebens. Irgendwann entscheiden wir uns wieder umzudrehen und in dem Waldhotel Dornröschenshöh nachzufragen. Doch der Kellner scheint selbst nicht genau zu wissen, wo wir uns auf der Karte befinden. Die nächste Pause steht.
Nach einer kalten Apfelschorle schlagen wir den Weg direkt neben dem Hotel ein. Am Ende biegen wir nach links ab und dann immer geradeaus. Schilder entdecken wir auch hier nicht: Nur irgendwann taucht einmal eine kleine Eule auf. Wir gehen jedoch weiter geradeaus, denn laut Karte müssten wir so wieder auf dem Teil des Nationalparks Kellerwald-Edersee gelangen, den wir bereits kennen. Und so kommt es schließlich auch. Wir verlassen den Wald und schlurfen auf dem asphaltierten Weg, von unserem ersten Tag in Hessen, an der Eder entlang – Richtung Ferienanlage.
Tipps
- Abgesehen vom Edersee gibt es keine Trinkmöglichkeiten für Hunde. Nur ein paar Pfützen waren auf dem Weg zu finden.
- Wer seinen Hund im Edersee baden lassen möchte und anschließend mit der Fähre fahren will, sollte auf jeden Fall ein Handtuch dabei haben. Nasse Hunde dürfen nämlich nicht mit.
- Das Schuhwerk sollte fest sein und ein gutes Profil besitzen, denn der Weg ist teils sehr steil und rutschig.
- Der erste Streckenabschnitt ist schattig, da er durch den Wald führt. Auf der anderen Seite des Sees sieht es anders aus. Dort liegt ein Großteil in der Sonne und es gibt fast keinen Schatten, deshalb rate ich die Tour nicht bei allzu starken Temperaturen zu wandern. Im Sommer sind wolkige Tage meiner Meinung nach geeigneter.
- Wer große Höhenangst hat und/oder nicht sehr trittsicher ist, sollte diese Etappe des Urwaldsteiges lieber nicht gehen.
- Auch bei starkem Regen, Wind und Schnee sollte auf die Wandertour verzichtet werden.
Alle wichtigen Informationen zu der Wandertour habe ich unter „Wandertour: Ein Stück Urwaldsteig“ zusammengefasst.